Elfenlicht
Genug! Darf ich mich nun in eine friedliche Schlacht stürzen? Scharfen Zungen bin ich wehrlos ausgeliefert.«
»Das Wortgeplänkel kann man erlernen wie das Schwerterschwingen. Ich würde mich gerne der Herausforderung stellen, dir ein paar Unterrichtsstunden zu geben. Ich glaube ...« Der ohrenbetäubende Schlachtruf der Trolle beendete Alvias‘ Rede. Mit Kriegshämmern und Keulen auf die großen Schilde schlagend, setzte sich der Kriegerpulk am Fuß des Hügels in Bewegung.
»Wie viel Munition haben wir noch, Misht?« Ein Kobold, dessen linker Arm in einer blutbesudelten Schlinge ruhte, beugte sich über die Brüstung des Fuhrwerks neben ihnen. »Drei Schuss je Speerschleuder und eine Hand voll Armbrustbolzen. Die meisten Bogenschützen von den Streitwagen kommen mit leeren Köchern hier an. Das wird der letzte Angriff, den wir mit ernst zu nehmendem Beschuss empfangen können.«
»Dann sorgen wir am besten dafür, dass sie nicht wiederkommen.«
»Da müsst ihr im nächsten Nahkampf wohl ein wenig unfreundlicher zu ihnen sein, damit diese Dickschädel endlich begreifen, dass sie hier nicht willkommen sind.«
»Machen wir, Misht. Machen wir. Diesmal haben wir eine Geheimwaffe. Einen parfümierten Hofmeister.«
Der Kobold kicherte. »Du kannst wirklich grausam sein, Melvyn.« Alvias fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Es war lange her, dass er zuletzt in einer Feldschlacht gekämpft hatte, aber er hatte nicht vergessen, wie bestimmte Zeichen zu deuten waren. Diese alberne Art verhieß nichts Gutes. Es war ein Weg, mit Angst fertig zu werden. Und wenn ein Krieger wie Melvyn Anzeichen von Angst zeigte, gab es allen Anlass, beunruhigt zu sein.
Trotz der Pfeile, die ihnen entgegenschlugen, verfielen die Trolle nicht in Laufschritt. Alvias hörte die tiefen Stimmen der Rudelführer. Sie ermahnten ihre Männer, die Schilde hochzuhalten und ruhig zu bleiben. Wenn sie die Hügelflanke hinaufliefen, würden sie außer Atem hier oben ankommen und schlechter kämpfen. Sie waren nur noch zwanzig Schritt entfernt!
Alvias zog sein Schwert. Koboldarmbrustschützen, die unter den Fuhrwerken kauerten, schossen eine Salve ab. Sie zielten tief und trafen die Trolle in die Beine. Ein Dutzend von ihnen ging in die Knie.
»Du kennst doch sicher die Schriften des Schwertmeisters Falrach«, sagte Melvyn.
Der Hofmeister nickte.
»Er meint, in aussichtsloser Lage sei es das Beste, seine Feindezu überraschen. Bist du bereit für eine Überraschung?«
Alvias sah erschrocken auf. »Du wirst doch nicht ...« Der Halbelf riss die Faust hoch. »Zum Angriff! Jagt sie den Hügelhinab!« Überall zwischen den Wagen sprangen die abgekämpften Krieger der Verbündeten auf. Kobolde zogen Kurzschwerter und liefen neben hünenhaften Minotauren. Die Elfenritter Alvemers und Arkadiens hoben ihre prächtigen Schilde. Kentauren in goldenen Rüstungen preschten den Hang hinab. Es war ein verzweifeltes letztes Aufbäumen. Alvias sah, wie Pferde vor die Fuhrwerke mit den Verwundeten geschirrt wurden. Der letzte Angriff würde ihnen vielleicht die Möglichkeit geben zu entkommen.
Der Hofmeister ließ sich mit der Welle der Angreifer treiben. Es war verrückt! Die Trolle waren ihnen um mindestens das Dreifache an Zahl überlegen. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass Emerelles Botschaft Ollowain niemals erreichen würde, wenn er hier starb. Er hätte die Nachricht jemand anderem geben müssen. Er hätte ... Alvias duckte sich unter einem wuchtigen Keulenhieb hinweg. Seine Reflexe waren noch gut. Die ungezählten Stunden im Fechtsaal der Burg würden sich bezahlt machen. Er sah die Lücke in der Verteidigung des Trolls, und noch bevor er den bewussten Gedanken zum Gegenangriff fasste, machte er einen Ausfallschritt und stieß dem Troll sein Schwert durch den Fuß. Mit einer leichten Drehung bekam er die Klinge wieder frei, ließ sich nach vorne fallen und spürte den Luftzug eines Keulenhiebs im Nacken, der ihn nur um Haaresbreite verfehlt hatte. Er rollte sich seitlich über die Schulter ab und führte noch im Aufstehen einen Rückhandschlag gegen den Knöchel des Trolls. Das Schwert schnitt durch Fleisch und Knochen. Der Troll stürzte, und noch bevor er auch nur schreien konnte, rammte ihm ein Kentaurenkrieger sein Doppelschwert in die Brust.
Der Schild behinderte den Hofmeister in seiner Beweglichkeit. Seine Angriffe kamen Alvias ungelenk vor. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er sich zwischen den Trollen wie ein Kind fühlte.
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