Elfenlicht
zurück.
Geisterhaftes Licht erfüllte den Bannersaal. Es ließ die fernen Wände vor dem Auge des Betrachters verschwimmen und gab ihm das Gefühl, auf einem offenen Platz und nicht in einer Halle zu stehen.
Von den Emporen, die in kühnem Schwung aus dem Licht hervorragten, hingen prächtige Seidenbanner mit den Wappen der Fürsten Albenmarks: die Nixe Alvemers, der silberne Stern Carandamons, die scharlachfarbene Rose auf schwarzem Grund, die Alathaia von Langollion zu ihrem Feldzeichen erwählt hatte, und all die anderen stolzen Wappen jener, die heute nicht hier waren, um an Emerelles Seite zu stehen.
Mit fliegendem Schritt durchmaß Ollowain den Bannersaal und stieß das nächste Bronzetor auf. Die Halle, die vor ihm lag, wurde von einem großen Brunnen beherrscht. Zwischen Wasserfontänen fochten marmorne Krieger verzweifelt gegen einen Sonnendrachen von Ischemon. Eine der Kriegerinnen in dem Gefecht war Emerelle; damals war sie noch nicht Königin gewesen. Die Kampfszene zeigte den Augenblick, in dem sich Falrach opferte, um den tödlichen Hieb abzufangen, der Emerelle zu zerschmettern drohte.
Wie stets überlief Ollowain ein Schaudern, wenn er den Brunnen betrachtete. So lebensecht waren die Steinbilder, dass man erwartete, der Kampf werde jeden Augenblick mit lautem Getöse fortgeführt. Wo waren die Helden von einst geblieben?, fragte er sich bitter. Waren sie alle ins Mondlicht gegangen?
Er hatte fast das Tor zum Thronsaal erreicht, als sich das Licht in der weiten Halle wandelte. Es wurde blasser, und dann schien ein Zittern durch die Wände zu laufen. Einen Herzschlag lang wurden die Mauern der Halle sichtbar. Das helle Plätschern des Brunnens setzte aus.
Der Schwertmeister stieß das letzte Tor auf. Der Thronsaal war ein großer, kreisrunder Raum, dessen Wände hinter Kaskaden silbern schimmernden Wassers verborgen blieben. Anstelle einer Decke spannte sich der sternklare Nachthimmel über Ollowain. Gegenüber dem hohen Tor führten sieben Stufen hinauf zum Thron von Albenmark. Dort, neben dem schlichten Holzstuhl, dessen Intarsien aus Marmor und Onyx zwei untrennbar ineinander verflochtene Schlangen zeigten, stand Emerelle, die Königin der Elfen. Sie war klein und von zierlicher Gestalt, doch strahlte sie eine Kraft aus, vor der einst selbst Drachen zurückgeschreckt waren. Sie hielt sich gerade, ohne steif zu wirken; das Kinn trotzig vorgereckt, war ihr Blick auf die Mitte des Thronsaals gerichtet. Mit einer knappen Geste bedeutete sie dem Schwertmeister, zum Thron zu kommen.
Der Boden des Saals war mit einem weitläufigen Mosaik ausgelegt. Das Schmuckmotiv des Throns aufgreifend, zeigte es sieben Schlangen, die sich einander umschlingend bekämpften. Neben Marmor und Onyx hatten hier auch meerdunkle Jade, heller Türkis, purpurroter Porphyr, sonnengelber Bernstein und grausilberner Granit Verwendung gefunden. Obwohl in den Jahrhunderten, die der Palast bestand, ganze Heerscharen von Gästen und Höflingen über das Mosaik geschritten waren, hatten die Steine nichts von ihrem Glanz verloren. Ja, sie schienen auf geradezu magische Weise von innen heraus zu leuchten und ließen die Schlangen lebendig erscheinen.
Helles Vogelzwitschern ließ Ollowain aufblicken. Zwei Nachtigallen stießen einander umkreisend in den weiten Kreis des Saals hinab und ließen sich auf dem Rand der Silberschüssel nieder, die auf einer niedrigen Säule neben dem Thron stand. Ausgelassen begannen sie im flachen Wasser zu spielen.
Ein Lächeln umspielte die schmalen Lippen der Königin. Sie strich sich eine Strähne ihres sanft gewellten, dunkelblonden Haars aus der Stirn und sah Ollowain an. Ihre hellbraunen Augen wirkten traurig. »Ganz gleich, was in dieser Nacht geschehen wird, auch morgen werden die Nachtigallen noch singen. Vielleicht ist unser Volk zu selbstverliebt, zu alt geworden. Vielleicht ist nun unsere Stunde gekommen, und wir müssen gehen, so wie vor uns die Alben und die Drachen gegangen sind. Doch was immer auch geschieht, nicht einmal die Trolle können die Schönheit Albenmarks zerstören. Auch morgen werden die Nachtigallen noch singen.«
Eine leichte Brise spielte mit dem Haar der Königin und ließ den Stoff ihres schulterfreien Kleides leise rascheln. Der zartblaue, mit Silberfäden durchwirkte Stoff betonte die edle Blässe Emerelles. Ihre milchweiße Haut schien von feinem, silbrigem Licht umspielt zu sein, wie die Mauern ihrer Burg. Sie hatte etwas Ätherisches, Unwirkliches.
Allein der
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