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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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sich an, ein Schiff zu verschlingen, das unter vollen Segeln fuhr. Es hatte Perlmuttaugen, die mich anstarrten, und ein breites Froschmaul mit Hunderten messerscharfer Zähne. Auf dem Heck des Schiffes hatte sich ein goldener Schmetterling niedergelassen.
    Ich stutzte. Der Schmetterling war viel zu groß. Er passte nicht an diese Stelle. Verwundert sah ich ihn an, als er seine Flügel ausbreitete und mit torkelndem Flug zu den Efeuranken des nächstgelegenen Fensters segelte.
    Bollo zog sich neben mir auf das schale Sims, das den unteren Rand des Reliefbildes abgrenzte. »Na, jetzt hat dich wohl der Mut verlassen, Fuchsschnauze.« Er machte ein verkniffenes Gesicht. Regen troff von seiner langen Nase. »Los. Wir müssen durch die Falkenluken, bevor das Gewitter uns eingeholt hat.«
    »Der Schmetterling …«, sagte ich verdattert.
    »Deine Schmetterlingsgeschichten kannst du mir morgen erzählen. Los, wir klettern über das Meeresrelief. Die Wellen sind gute Griffe. Da werden wir leicht vorankommen.«
    »Der Schmetterling lebt.«
    »Ja, ja«, war alles, was ich von Bollo dazu zu hören bekam. Ich wusste ja selbst, wie verrückt sich das anhörte. Ich sah zum steinernen Efeu, in dem der Schmetterling verschwunden war. Hatte ich mir das alles nur eingebildet? War ich verrückt vor Angst?
    »Ganz schön nass, die verdammten Wellen. Du musst aufpassen, dass du nicht abrutschst«, fluchte Bollo. »Wenn nur der Regen nicht wäre!«
    Ein Blitzschlag überflutete die Turmwand mit blendend weißem Licht. Der Donner fuhr mir durch alle Glieder. Neben mir strömte zäher, grauweißer Matsch über die Schmuckleiste des Reliefs.
    »Vorsicht! Der Stein löst sich …« Mir blieben die Worte im Halse stecken. Blauviolette Blitze zuckten über das Gemäuer. Und ich sah, wie sich die Wellen in dem gemeißelten Meer bewegten. Bollo war in die Fluten gestürzt und kämpfte darum, den Kopf über Wasser … Nein, das war kein Wasser! Ich kniff die Augen zu. Das konnte nicht sein! Meine Sinne spielten mir einen Streich!
    Als ich blinzelnd aufblickte, sah ich, wie das Meeresungeheuer Bollo verschluckte. Er kam nicht einmal mehr dazu, zu schreien. Von einem Augenblick zum anderen verschwand er in dem riesigen Maul. Und dann richtete das Ungeheuer seine perlmutternen Augen auf mich.
    Ich wich ein Stück zurück und trat ins Leere. Mit rudernden Armen versuchte ich, das Gleichgewicht zu halten. Ich griff nach den steinernen Wellen, und meine Hand tauchte in Wasser.
    Eine plötzliche Bö packte mein klammes Kleid. Ich stürzte, schlug mit der Schulter gegen einen Drachenkopf und bekam einen krallenbewehrten Fuß zu fassen. Ein Kopf mit glühenden Bernsteinaugen beugte sich zu mir herab. Ich schrie und schlug mit der freien Hand nach der Schnauze mit den fingerlangen Zähnen.
    Ein Schwanzhieb traf mich, und ich stürzte erneut. Goldenes Licht schnitt eine breite Bahn durch die Finsternis. Irgendwie hatte ich es geschafft, mich im steinernen Efeu nahe einem Fenster festzukrallen. Ich spürte, wie sich die Ranken bewegten. Dann hörte ich Stimmen. Jemand packte mich. Ich wurde in ein warmes Bett gelegt. Kleine Katzen mit zugewachsenen Lidern und nassem Fell drängten sich wimmernd an mich. Über mir erschien das Gesicht eines Elfen.
    »Bollo«, stieß ich noch hervor, dann verließen mich die Kräfte.

Fremde Verwandte
    Bollo wurde nicht wiedergefunden. Ich war lange bettlägerig. Ein schweres Fieber quälte mich, und in meinen Albträumen sah ich immer wieder das steinerne Meeresungeheuer, das Bollo verschluckte.
    In den wachen Stunden war Emerelle oft bei mir. Sie konnte mir nicht erklären, was geschehen war – oder sie wollte es nicht. Dessen war ich mir nie ganz sicher. So wenig ich mich an die Tage nach dem Unglück erinnern kann, eines weiß ich ganz gewiss: Ich war nie allein. Der Fürst von Alvemer hatte mich gerettet. Er hatte meinen Schrei gehört und mich gerade noch zu packen bekommen, bevor ich in die Tiefe gestürzt wäre.
    Es dauerte lange, bis ich wieder auf die Beine kam. Meine Rippen waren geprellt, und das Fieber wollte einfach nicht weichen.
    Ich konnte den Anblick des Westturms nicht mehr ertragen, ebenso wenig den von Bildern oder irgendwelchem Schmuckwerk, das in Mauern gemeißelt war. Aus der frechen kleinen Lutin war ein verängstigtes Kind geworden. Und das änderte sich auch dann nicht, als eines Tages ein alter Lutin mit ergrauter Schnauze vor mir stand und behauptete, ich sei die Tochter der Schwester seiner

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