Elfenwinter
Deck wanden sich Schmetterlinge. Mit verbrannten oder zerdrückten Flügeln versuchten sie vergebens, den Flammen zu entkommen, die sich immer weiter ausbreiteten. Scherben eines groben Tonkrugs lagen herum. Sie waren bedeckt von einer zähen, klebrigen Masse.
Geistesabwesend schlug der Schwertmeister auf sein Hemd und erstickte den Schwelbrand. Er spürte nicht, wie sich Funken in sein Fleisch fraßen.
»Emerelle?« Ollowain stieg über einen toten Krieger der Leibwache hinweg. Und dann sah er die Königin. Sie war halb unter schwelendem Stroh begraben. Kleine Brandnarben wie Pocken zeichneten ihr Antlitz. Mit bloßen Händen mühte sich Ollo-wain, das glimmende Stroh zur Seite zu stoßen.
»Wachen zu mir!«, rief er verzweifelt.
Endlich kam Bewegung in die jungen Soldaten. Sie halfen dem Schwertmeister, bis alles Stroh entfernt war. Das Untergewand der Königin war halb verbrannt, ihr Körper von großen, nässenden Wunden gezeichnet. Unter ihrem Rippenbogen steckte der Splitter eines zerschlagenen Tongefäßes.
»Bildet einen Schildwall!«, herrschte Ollowain die Krieger an. »Los, beschirmt eure Königin vor den Blicken Neugieriger.«
Yilvina trat aus dem wirbelnden Rauch. Das Gesicht der Elfe war von Ruß geschwärzt.
»Die Fürsten verlassen das Schiff!«, meldete sie. »Was sollen wir tun? Ablegen?«
Ollowains Gedanken überschlugen sich. Der Himmel war voller Feuerbögen. Hundert Katapulte oder noch mehr beschossen Hafen und Stadt. Etliche Schiffe brannten bereits lichterloh. War dies Shahondins Werk? »Packt Lyndwyn! Sie hat das Zeichen gegeben, den Hafen anzugreifen. Ich will sie lebend. Sie weiß, was hier geschieht.« Die Elfenkriegerin nickte knapp und verschwand wieder im Rauch.
Ollowain war sich sicher, dass Shahondins Enkelin eine der Feuerkugeln auf das Achterdeck herabgerufen hatte. Für die Fürsten musste es so ausgesehen haben, als ob Emerelle tot sei. Vielleicht konnte er daraus einen Nutzen ziehen? Er sah zu seiner Herrscherin hinab. Einer der Soldaten hatte einen roten Umhang über sie gedeckt, sodass nur ihr Antlitz zu sehen war. Neben ihr lag die verbogene Schwanenkrone auf dem Deck. Sie mussten die Königin von hier fortbringen, doch Ollowain wagte es nicht, sie zu berühren. Er brauchte eine Heilerin.
»Ich will zu meiner Tochter! Lasst mich durch!«
»Fürst, wir haben strikten Befehl… «
»Lasst ihn durch«, befahl Ollowain. Seine Stimme war heiser. Die Luft rings herum schien zu glühen. Etliche Schiffe im Hafen standen in hellen Flammen. Plötzlich duckten sich die Wachposten hinter den Schilden. Fauchend zog ein Brandgeschoss kaum einen Schritt über ihre Köpfe hinweg.
Die Hitze der glühenden Kugel traf Ollowain wie ein Schlag ins Gesicht, obwohl das mörderische Geschoss das Schiff verfehlte.
Hallandan hatte nicht einmal den Kopf eingezogen. Der hoch gewachsene Elf stand wie versteinert und starrte auf die zierliche Gestalt zu seinen Füßen.
Der Schwertmeister legte dem Fürsten sanft eine Hand auf den Arm. »Ich weiß nicht um den Schmerz, der dein Herz zerreißt, doch glaube ich, dass es deiner Tochter bestimmt war, die Königin zu retten, und sie wird ihr Schicksal erfüllen. Wir müssen versuchen, aus dem Hafen zu entkommen. Emerelle darf nicht länger in Vahan Calyd bleiben. Wir haben einen Feind in unseren eigenen Reihen. Täuschung und List sind seine schärfsten Waffen. Wir können nur überleben, wenn wir diese Waffen gegen ihn wenden.«
Auf der Treppe zum Achterdeck entstand ein Tumult. »Verräterin!« zischte eine helle Männerstimme.
Yilvina erschien und stieß die junge Magierin vor sich her. Lyndwyns kunstvolle Frisur war zerzaust, ihre linke Wange blaurot verfärbt und das Auge fast zugeschwollen. Ihre Arme waren auf den Rücken gebunden, und ein Knebel steckte in ihrem Mund.
»Wir haben sie auf dem Kai gefasst«, meldete die Kriegerin. »Sie versuchte, in die Stadt zu fliehen.« Yilvina griff in Lynd-wyns Haar und zwang die Magierin, vor Ollowain niederzuknien.
Der Schwertmeister sah zu der sterbenden Königin und dann zu Lyndwyn. Die Verräterin wand sich in Yilvinas Griff, vermochte sich jedoch nicht zu befreien.
»Du hast ihnen mit dem Lichtvogel das Zeichen gegeben. Wer ist dort draußen auf See?« Ollowain zerrte ihr den Knebel aus dem Mund. »Sprich!«
Die Magierin befeuchtete mit der Zungenspitze ihre Lippen. Trotzig hielt sie seinem Blick stand. »Ich weiß nicht, wer uns angreift.«
Ollowains Hand zuckte zum Schwert. Was glaubte
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