Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
dicken Büscheln dazwischen, die sich zäh ans Vulkangestein klammerten. Ein dünnes Rinnsal tränkte die unverwüstlichen Pflanzen und bot auch Nadja Erlösung, der die eisige Kälte des Wassers sogar angenehm war. Es stumpfte ihre Fußnerven weiter ab und löschte die brennende Trockenheit ihres Mundes ein wenig. Der scharfe Wind zog ihr sonst jegliche Feuchtigkeit aus dem Leib.
Und es gab endlich wieder Leben! Ein Goldregenpfeifer flatterte an ihr vorbei, weiter ihre gewählte Richtung entlang. Das war ein gutes Zeichen. Und auch, dass das Gras allmählich länger und dichter wurde, je tiefer sie in die Senke hinabkam. Nun breitete sich das Grün schon Panorama füllend aus, und Nadja sah dick in Wolle gepackte Schafe und vier zottige, kleine Kühe.
»Das war wirklich eine Eillieferung«, flüsterte sie, und Wärme erfüllte sie von innen heraus.
Ganz unten in der Senke sah sie einen kleinen See glitzern, und dort stand mitten im Grün ein weißer Hof! Ein Haupt- und mehrere Nebengebäude, mit rotem Dach, das von ihrer erhöhten Position intakt zu sein schien.
Nadja lachte auf. Sie war gerettet, denn sie erkannte sogar ein Auto, und es wirkte zumindest auf die Entfernung nicht gerade wie ein Wrack. Über die einspurige Kiesstraße spannte sich ein schmiedeeiserner Bogen mit der Aufschrift
Melasól
. In diesem Moment war es für sie der schönste Ort der Erde.
Nadja war auf alles gefasst, während sie sich dem Hof näherte. Sie würde es sogar mit einem axtbewehrten Riesen aufnehmen, wenn sie dafür endlich ins Warme kam und etwas zu essen erhielt. Entlang des Schotterwegs wuchs eine krautartige Pflanze in dicken Büscheln. Sie blühte gelb und war nur etwa zwanzig Zentimeter hoch, aber auf Nadja wirkte sie wunderhübsch, denn sie bedeutete Leben. Ringsum breitete sich grünes Land wie eine Decke über sanfte Hügel aus, vor dem gewaltigen Panorama des Gletschers.
Als sie noch etwa fünfzig Meter entfernt war, schlug ein Hund an. Vor dem würde sie sich nicht fürchten. Immerhin hatte sie bereits riesigen weißen Elfenhunden mit roten Augen standgehalten.
Das Gebell wurde lauter und heftiger, als sie näher kam. Auf zehn Meter Distanz öffnete sich die Eingangstür in dem weißen Hauptgebäude, und ein ziemlich großer, ziemlich schwerer Isländer mittleren Alters trat heraus. Er hatte eine Pfeife im Mund und trug Latzhosen, ein kariertes Hemd, Jacke und Halbstiefel.
»Wen stellst du denn dar?«, fragte er auf Englisch.
»B…b…bitte«, stieß Nadja zitternd in derselben Sprache hervor. »M…m…mir ist so kalt …«
Hinter dem Mann drängelte sich ein mittelgroßer, struppiger Köter der Rasse Irgendwas heraus und stürmte bellend auf Nadja zu.
Kurz vor ihren Füßen bremste das Tier, stand still, schnüffelte an ihrem Bein und blickte schließlich schwanzwedelnd zu ihr hoch. Seine braunen Augen waren gutmütig. Der Hund hechelte aufgeregt.
»Na, komm erst mal rein«, sagte der Isländer und ging paffend voran ins Haus.
Drin war es warm, genau wie Nadja es sich gewünscht hatte. Es gab eine große Küche mit Sitzecke und Kachelofen. Der Isländer schlug eine Rosshaardecke um die schlotternde Nadja und schob sie zu der Bank am Kachelofen. In der Ecke, auf einem Wollkissen, kauerte eine große, fette Tigerkatze, die Nadja aus schläfrigen Augen musterte.
»Ich mach erst mal ’nen Tee.« Der Isländer zündete eine Gasplatte an und setzte einen zerbeulten Wasserkessel auf, nahm eine nicht minder zerbeulte Kanne von einem Regalbrett und hängte zwei Teebeutel hinein.
Die Wärme tat so gut, unendlich gut. Nadja konnte erst recht nicht mehr aufhören zu zittern, und Erschöpfung breitete sich in ihr aus.
»Ich bin Ingolfir Úlfsson«, stellte der Isländer sich vor.
»Nadja Oreso«, antwortete sie.
»Mhm. Italienerin? Obwohl Engländerin besser zu deinem verrückten Outfit und deinem Akzent passen würde.«
»Eigentlich bin ich Deutsche, genauer gesagt, aus München. Meine Eltern haben italienische Wurzeln.«
»Und wieso läufst du in dieser gottverlassenen Gegend in einem derart bescheuerten Aufzug herum?«
»Ich … ich …« Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Ihr fiel keine gute Lüge oder schlechte Ausrede ein, weder eine verrückte Geschichte noch sonst eine Antwort. Schließlich sagte sie leise: »Ich habe eine weite Reise hinter mir.«
»Na, schon gut, geht mich ja nichts an.«
Der Wasserkessel pfiff, und Ingolfir griff nach dem Bügel. Fluchend zog er die Hand zurück,
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