Elfriede im Salon (German Edition)
war, die sie zusammenbrachte. Gegenüber Elfriede verhielten sie sich respektvoll, man machte zwar hier und da Komplimente und die meisten bezogen sich auf ihr Aussehen und ihre Kochkünste, man wurde aber nie derb, und wenn beispielsweise auch ihr Hintern, ihre Beine oder ihr roter Mund ihnen ins Auge sprang, legte man nie Hand an - kein kleiner Klaps auf diese Rundung, von der sie vielleicht insgeheim träumten. Selbstverständlich machten sie in Abwesenheit von Elfriede Bemerkungen über die anderen Qualitäten ihrer Bedientesten und ebenso selbstverständlich wusste Elfriede, dass sie nicht nur wegen ihrer Kochkünste, sondern auch wegen ihrer Jugend und ihrem Aussehen eingestellt worden war. Elfriede hätte gelegentlich einen Klaps auf ihren Hintern akzeptiert - nicht wegen des Geldes, dass ihre alten Herrschaften für ihre Dienste bezahlten - aber sie sah keinen Grund, die Männer unnötig aufzureizen und sie zu Handgreiflichkeiten zu animieren; im Übrigen wollte sie sich nicht prostituieren. Ihre Arbeit als Kellnerin setzte sie verstärkt Anzüglichkeiten aus, die verglichen mit dem Klaps eines älteren Herren, ein größeres Problem darstellten. Zu ihren Jobs, hier im Salon und in der Kneipe, gehörte der Sex, den sie ausstrahlte und wenn Professor Hügel ihr beim Ausschenken des Weins einen Klaps auf ihren Po gegeben hätte, hätte sie diesen als Kompliment genommen und ihn des weiteren ignoriert. Sie mochte ihre Philosophen und diese Zuneigung hatte sie nicht nur wegen ihrer Bezahlung entwickelt. Ein bisschen schrullig waren sie, diese Philosophen. Kein Mensch nannte sie Elfriede, selbst ihre Großeltern nicht, die wohl veranlasst haben mussten, dass ihr dieser aus der Mode gekommener Name bei der Taufe verpasst wurde, sondern alle Welt nannte sie Elli. Nur die Philosophen, die alles genau wissen wollten und drum wissen wollten, woher dieses Elli herrührte, ließen sich nicht davon abbringen, Elli Elfriede zu rufen und man hätte daraus leicht den Schluss ziehen können, dass es sich bei den Philosophen um einen sehr konservativen Haufen handeln musste, aber mit dieser Wertschätzung wäre man den Männern nicht gerecht geworden.
Die kollektive, emotionale Verwirrung, die bisher an diesem Abend die Männer charakterisierte, lässt es als sinnlos erscheinen, einzeln auf die Männer einzugehen. Es macht viel mehr Sinn, sie als Kollektiv zu beschreiben; dennoch ein paar Worte zu den Philosophen, die eigentlich keine waren. Niemand von ihnen hatte Philosophie studiert. Sie waren alle Jahrgang 38, was vielleicht suggeriert, dass es sich nicht um Individuen handelte. Jedenfalls erscheint es als Zufall, dass sie alle den 61. Geburtstag hinter sich hatten, aber es war dennoch keiner, denn sie waren gemeinsam aufs Gymnasium gegangen, zu einer Zeit, als die Bundesrepublik Deutschland noch ganz jung war. Professor Hügel, ein einsneunzig großer Riese mit deutlichem Übergewicht, war emeritierter Professor für Astronomie, der sich in den letzten Jahren seiner akademischen Tätigkeit mit alternativen Kosmologien beschäftigt hatte. Mit seinen Zweifeln am Urknall galt er im Institut als Spinner und war einem gewissen Mobbing ausgesetzt, dass ihm das Arbeiten am Institut unerträglich machte, sodass er schließlich seine Frühemeritierung in die Wege leitete. Irgendwann musste er schwarzes Kopfhaar gehabt haben. Jetzt war es im wesentlichen grau wie die Haare seines Vollbarts. Der Professor trug gerne Blue-Jeans und Pullover und seine krausen, ergrauten Haare erzeugten einen Eindruck der Unaufgeräumtheit. Seine Frau war vor sechs Jahren an Brustkrebs gestorben.
Dr. Schwarz hingegen sah aufgeräumter aus. Er pflegte gewöhnlich dunkelblaue Anzüge zu tragen, trug zu fast allen Anlässen Krawatten und weiße Hemden, war von mittlerer Statur, aber nicht ohne Bauch. Sein Haupt wurde durch eine Halbglatze geziert. Irgendwann einmal hatte er in Geschichte promoviert, hatte aber nur wenige Jahre als wissenschaftlicher Assistent in seinem Fach gearbeitet. Dann musste er sich eine andere Möglichkeit des Gelderwerbs suchen. Er bekam eine Anstellung als politischer Redakteur der hiesigen Tageszeitung. In den darauf folgenden Jahren zeigte sich, dass ihm der Journalismus nicht im Blut lag, aber er war trotzdem fähig, fundierte Artikel zu schreiben und intelligente Analysen zu erstellen. Ihm fehlten aber alle journalistischen Instinkte, der journalistische Riecher, Durchsetzungsvermögen und Rohheit, die einem
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