Elizabeth II.: Das Leben der Queen
schottische Queen, «Her Majesty», wie sie jetzt angeredet wurde. Sie war die Lebhafte, er der Schüchterne, sie der Impresario der königlichen Show, er schwebte darüber, ihre Stärke kompensierte für Georges Zerbrechlichkeit. Schon in den 30er Jahren war sie, wie wir sahen, der eigentliche Motor der Publicity-Kampagnen um ihre Kinder und die königliche Familie. Ein britischer Fernsehfilm aus dem Jahr 2000, dem Jahr ihres 100. Geburtstages, porträtierte sie als Zauberin, die es mit ihren Künsten diskreter Manipulation zu unerreichten Höhen gebracht habe.
In diesem Fach tat es Elizabeth Bowes-Lyon in der Tat niemand gleich. Sie, die im Jahr ihrer Hochzeit, 1923, ihr letztes und einziges Interview gegeben hatte, gab sich so, als ob jedermann sie kennen müsste; dabei hielt sie sich hinter dem Gleichklang ihrer Gesten, ihrer Hüte und später ihrer Gin Tonics oder Dubonnets geschickt versteckt. Unvergessen das Gedicht «Picture This» («Mal dir das aus»), das der Hofdichter Andrew Motion zum 100. Geburtstag der Queen Mother im Jahr 2000 zu Papier brachte, zehn Strophen lang, darunter diese, die neunte, in der sich der Autor seine Version der royalen Beständigkeit vor Augen führte:
«Alles beim Alten, auf den ersten Blick: Balkone,/das offene Lächeln, das Winken der Hand, die Gartenpartys,/und die Hüte, die Hüte, die Hüte, alles Bilder/in unseren Alben oder unseren Köpfen, daneben diese:/die Fotos, die noch keiner von Euch aufnahm,/die Großmutter-Beichtmutter-Freundin,die Trauernde/um Scheidungen und all das, der weltgewandte Blick/auf eine Welt, der gegenüber Ihr keine Wandlung je zur Schau stellt/auf den ersten Blick: Balkone, das offene Winken der Hand,/das Lächeln, die Hüte, die Hüte, die Hüte.»
Der Hintergrund war der Tummelplatz dieser Frau, die ihre erzreaktionären Vorurteile hinter vielschichtigen Schleiern und ihrem ununterbrochenen Lächeln zu verbergen verstand. Das Spiel aus der zweiten Reihe, die raffinierte Inszenierung war ihr Metier. Dazu fand sie in Cecil Beaton, dem Fotografen, der vor dem Krieg am Anfang seiner Karriere stand, einen willigen Helfer. Beaton war ihr 1939 empfohlen worden, nachdem er eine erfolgreiche Fotostrecke ihres Schwagers, des Herzogs von Kent, und seiner griechischen Gemahlin vorgelegt hatte. Der Fotograf war ein Mythenmacher, bei seinen Modellen interessierte ihn mehr das Image als das Abbild, die Wirkung mehr als die realistische Ähnlichkeit. Was er zur Wiederbelebung der britischen Monarchie nach der Abdankungskrise 1936 beitrug, war einzigartig in seiner visuellen Kraft. Beatons Weltruhm nahm mit seinen Fotos der Königsfamilie den Anfang.
Er traf sich mit Königin Elizabeth auch darin, dass beide ein Faible für die malerische Welt versunkener Jahrhunderte besaßen, und aus diesem Fundus schöpfte der Fotograf seine Ideen. Den zurückgetretenen König Edward VIII., nun Herzog von Windsor, hatte er bei dessen Hochzeit mit Wallis Simpson im Juni 1937 ganz so dargestellt, wie die beiden sich sahen: modernistische Gestalten mit einem Touch Art Deco, ganz Chromsilber und strenge Formen, die Herzogin von Windsor im Kostüm, ihr Mann im erstklassigen Straßenanzug. So wollten Beaton und die neue Königin es in ihrem Fall ganz und gar nicht. Als Ausstattung wählte er bodenlange Träume für die eher klein geratene Königin, eine Tiara auf dem Kopf, vor dem Hintergrund von Prachtinterieurs im Buckingham Palast, in die natürliches Licht wie überirdisch hineinflutete.
Gerne setzte Beaton sein Modell vor Ausschnitte von Naturgemälden aus dem 18. Jahrhundert, darunter Jean-Honoré Fragonards Gemälde «Die Schaukel» (1766), das Idealbild schlechthin für die Naturverspieltheit des Rokoko und seine stereotype Heiterkeit. Vordieser üppig wallenden Reproduktion aus Blumen und Sommerlicht platzierte der Fotograf die lächelnde Königin, die der Hofdesigner Norman Hartnell, komplementär zum Hintergrund, in ein Krinolinenfest aus Chiffon getaucht hatte. Hier trafen sich Kunst und Propaganda zur Projektion einer magischen Welt, mit Elizabeth, der Königin, als der Trägerin eines Traums von Royalty. In der Ikonografie der britischen Monarchie im 20. Jahrhundert galt zu diesem Zeitpunkt, nach der Erschütterung von 1936, genau dies als das ersehnte Image an der Spitze des Staates. 1940 brach es grausam auseinander, als George VI. und seine Frau die zerbombten Quartiere im Osten Londons besuchten und ein anderes Image in den Vordergrund trat: das der besorgten
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