Elke und ihr Garten
solcher Zukunftsmusik die Seiten fülle,
aber ich habe meinen ganz bestimmten Grund dafür. Ich möchte Dich nämlich
bitten, daß wir unsere Freundschaft mehr als bisher pflegen. Könntest Du mir
nicht wenigstens alle zwei Wochen einen Brief schreiben? Ich würde Dir jedesmal
sofort antworten. Wir könnten uns in unseren Briefen schon so schön überlegen,
wie wir unser Leben als Studenten einrichten wollten, was wir alles arbeiten
und lesen wollen und welchen Sport wir miteinander treiben könnten. Ich würde
mich im Sport natürlich ganz nach Deinen Wünschen richten.“
Elke lachte laut vor sich hin. „Ich
schlage Boxen vor!“
„Ich weiß, daß Du über diese meine
Pläne erst einmal lächeln wirst“, fuhr Achim fort, „aber glaube mir, gerade
Jugendfreundschaften sind oft die dauerhaftesten im Leben. Wir sind beide reife
Menschen! Ja, Du in Deiner Art auch, das weiß ich wohl! Und wenn wir ein
festes, ewiges Freundschaftsbündnis schließen, so wird das unvergänglich sein.
Ich bin wie mein Vater. Auch ihn hat eine herzliche Jugendfreundschaft mit
meiner Mutter verbunden, und Du weißt aus eigener Erfahrung, wie glücklich die
Ehe meiner Eltern geworden ist— — —“
Elke konnte nicht länger an sich
halten, sie lachte, ihr kamen geradezu die Tränen vor Lachen. Achim war
wirklich unbezahlbar! Er schien sich, weiß Gott, schon überlegt zu haben, daß
er es ebenso machen könnte wie sein Vater und eine Jugendfreundin heiraten! So
ein Schafskopf! Achim und sie!
Gut, daß er sie in den Sommerferien
besuchen wollte. Ihm würde sicher die Lust vergehen, .ewige Freundschaft’ mit
ihr zu schließen! Und daß sie ihm alle vierzehn Tage einen Brief schrieb, kam
schon deshalb gar nicht in Frage, weil sie gar keine Zeit dafür hatte.
Elke überflog die letzte Seite des
Briefes mehr, als daß sie sie wirklich las. Die Anfrage wegen Heinrich und
Fränzi hatte Achim natürlich zu beantworten vergessen. Das sah ihm ähnlich!
Elke schickte eine Erwiderung auf
diesen Brief erst Mitte Juni, nach ihrem Geburtstag, und gleichzeitig dankte
sie Achim für zwei weitere Briefe und für sein Geburtstagsgeschenk — eine
dünne, goldene Armbandkette. Die war von ihm wohl als Freundschaftskette
gedacht, aber er hatte, wohl etwas entmutigt durch sein erfolglos gebliebenes,
großzügiges Freundschaftsangebot, nichts Derartiges dazugeschrieben.
Elke sandte nun eine Karte, und auf
der stand:
„Lieber Achim, tausend Dank für all
das, was Du mir geschickt hast. Ich hab’ mich sehr gefreut. Da du nun ja aber
doch nächstens zu uns kommst, kann ich Dir alles andre ja mündlich erzählen. An
Deine lieben Eltern schreibe ich bald einen langen Brief. Eure Elke.“
4. Kapitel
FRAU SEYDERHELM
Elke hatte sich sehr oft gewünscht,
daß Frau Seyderhelm sie in ihrem neuen Haus in Hemmelwarde einmal besuchen
möchte, und obgleich sie anfangs Ablehnung für ihren Wunsch gefunden hatte,
sowohl bei ihrer Mutter als auch vor allem bei der gelähmten Frau selbst — denn
es ist ja wirklich keine ganz einfache Sache, einen körperlich schwer
behinderten Menschen aus seiner gewohnten Umgebung herauszunehmen! — war es
schließlich doch dazu gekommen, daß dieser Besuch vereinbart worden war. Ulf
und Elke sollten Frau Seyderhelm und die Pflegerin, die sie ständig um sich
hatte, mit dem Auto in Hamburg abholen und sie auf einem hübschen Umweg durch
freies Land mit Kornfeldern, weiten, grünen Wiesen und viel Wald nach
Hemmelwarde bringen.
Diese Hinfahrt war nun bei dem
schönsten Sommerwetter — es war der erste Sonntag im Juli — beendet und war ein
großer Genuß für die Kranke gewesen. Sie kam ja so selten aus ihrer Wohnung
heraus, eigentlich überhaupt niemals. In früheren Jahren war sie jeden Sommer
in einen Kurort gefahren, aber seitdem nun lange schon keine Hoffnung mehr
darauf bestand, daß ihr Leiden sich bessern könnte, hatte sie diese Badereisen
aufgegeben. Frische Luft genoß sie eigentlich nur noch von ihrem Balkon aus.
Gewiß, dieser Balkon war sehr geräumig und trug im Sommer freundlichen
Blumenschmuck, und im Winter waren die Blumenkästen mit kleinen Tännchen
bepflanzt, und Möwen kamen und holten für sie hingelegtes Futter. Frau
Seyderhelm hatte es sicherlich besser als viele Tausende, die ein gleiches
Schicksal zu tragen haben. Aber es blieb doch ein schweres Leben, das sie
führen mußte, so immer an den Rollstuhl gefesselt, ganz auf die Hilfe anderer
Menschen angewiesen und ohne Hoffnung, jemals den
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