Elke und ihr Garten
würde
ich mir an deiner Stelle noch keine Sorgen machen!“
„Das tu’ ich auch nicht“, antwortete
Elke ernsthaft.
„Aber Anke hat mal gesagt, daß ich so
ähnlich wäre wie Vaters Schwester, unsere Tante Lena, und die ist unverheiratet
geblieben, und Vater muß für sie sorgen. Wenn ich mir das vorstelle, daß Ulf
mal immer alles für mich bezahlen müßte — nein — — einen Beruf muß ich
natürlich haben. Vielleicht kann ich mal Gärtnerin werden und könnte dann später
eine eigene Gärtnerei aufmachen. Oder aber ich werde Ärztin wie Anke.
Vielleicht auch nur Säuglingsschwester — nein, ich weiß es wirklich noch
nicht!“
Frau Seyderhelm blickte versonnen in
die tannendunkle Tiefe des Gartens, die sich ein wenig schräg rechts ihrem
Blick darbot. Sie hatte vorhin nicht ohne Grund nach Elkes Zukunftsplänen
gefragt. Sie hatte Elke sehr lieb, und es lag ihr etwas auf dem Herzen, was sie
ihr gern sagen wollte. Sie empfand, daß heute die richtige Gelegenheit dafür
wäre, denn Elke war heute wieder so ganz besonders sie selbst; so warm und
fürsorglich in all ihrer jungen, starken Eigenwilligkeit.
Frau Seyderhelm sagte jetzt: „Ich
möchte vor allem wünschen, daß deine besondere Eigenart in deinem späteren
Beruf einmal zur Geltung kommt.“
„Meine besondere Eigenart?“ fragte
Elke. „Meinen Sie vielleicht — — —.“ Sie zögerte. „Ja, meinen Sie vielleicht,
daß ich mir nichts gefallen lasse und manchmal auch ziemlich rechthaberisch
bin?“
Frau Seyderhelm lächelte. „Nein, das
meine ich nicht. Für diese Neigungen bei dir dürfte sich auch schwerlich ein
besonders geeigneter Beruf finden! Aber Scherz beiseite! Es liegt mir etwas am
Herzen —.“
Elke blickte erstaunt.
Da sprach die alte Dame auch schon
weiter. Sie sagte geradeheraus:
„Du hast eine ganz besondere Gabe,
mein Kind. Es ist dir gegeben, zu erkennen, wo ein Mensch Hilfe braucht! Laß es
dir bitte nicht verwunderlich erscheinen, daß ich dir das so frei heraussage.
Ich sage es nicht, weil es etwas Lobendes ist, denn ich weiß wohl, daß du dich
nicht gern loben läßt. Aber sieh, ein Mensch wie ich, der ganz auf andere
angewiesen ist, der lernt die Menschen wirklich kennen. Du bist so, daß du gar
nicht erst zu fragen brauchst, was einer wünscht oder nötig hat. Du weißt es
ohne das. Es ist dir ganz einfach gegeben, zu wissen, wo eine Not vorhanden
ist. Das ist eine sehr schöne Gabe. Aber leider auch eine Gabe, die nur in
geringem Ansehen steht. Nennen wir diese schöne Gabe einmal ganz einfach: das
gute, warme Herz. Wie manche Frau mag dieses in ihren jungen Jahren gehabt
haben und ist später dann doch stumpf und teilnahmslos geworden. Eigene Nöte
und Sorgen sind ihr vielleicht über den Kopf gewachsen, gewiß, aber den
Hauptgrund dafür sehe ich in etwas ganz anderem. Sieh: gerade in den Jahren, wo
die Frau ihre eigentliche Prägung zum wertvollen Menschen oder zum
durchschnittlichen oder gar zum wertlosen empfängt — diese Jahre liegen jetzt
vor dir, Elke, — ja, gerade in diesen Jahren wird das gute, warme Herz so gern
als etwas angesehen, dessen man sich beinahe schämen muß.“
Elke mußte daran denken, daß sie ihrem
Bruder Jens nie wieder etwas davon erzählt hatte, wenn sie Frau Seyderhelm
besucht hatte. Jens hatte sie damals ausgelacht wegen des Vorsingens, und
seitdem — ja, vielleicht war es wirklich so, wie Frau Seyderhelm es meinte,
vielleicht hatte sie sich wirklich vor ihm geschämt.
Die alte Dame fuhr fort: „Ja, ein
starker Wille und kraftvolle Geistesgaben, die das Leben zu bezwingen vermögen,
die sind etwas! Die gelten etwas! Und natürlich auch mit Recht. Aber man sollte
dabei die verstehende, ganz einfache Güte nicht vergessen. Die bringt nichts
ein, die zeigt nichts her, die feiert keine Triumphe! Und doch, meine Elke, ist
es so, daß auf der ganzen Welt nichts so sehr gebraucht wird wie diese vielfach
so mißverstandene einfache Güte. Die Menschen hungern danach, wirkliche
Herzensfreundlichkeit und verstehende Anteilnahme zu erfahren, die beide etwas
ganz anderes sind als Mitleid. Mitleid will niemand. Mitleid ist auch noch
lange keine Güte. Es ist so kalt geworden auf der Welt, aber wenn die Frauen so
wären, wie sie sein sollten, dann könnte es überall warm und wahrhaft
heimatlich sein.“
Frau Seyderhelm sah aus, als wenn sie
ganz vergessen hätte, daß Elke neben ihr saß. Ihr sonst so beherrschtes, immer
gleichmäßig freundliches Gesicht sah leiddurchfurcht
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