Ellas geheime Träume – Ein riskantes Spiel (German Edition)
Minuten so schmerzlich empfunden hatte.
Ella ging, die Blumenvase in der Hand, zu ihrem Schreibtisch hinüber. Sie öffnete die Schublade, die Bleistifte in verschiedenen Stärken, Zeichenpapier und andere Malutensilien enthielt. Dann holte sie sich die Karte von der Anrichte, stellte sie vor sich auf den Schreibtisch und betrachtete versonnen die Blumenranken. Dann wählte sie einen der Bleistifte und begann, ihren Gedanken Formen zu geben. Wie von selbst glitt die weiche Mine über das Papier, hinterließ klare Linien und vervollständigte diese schließlich zu einem vertrauten Gesicht.
Kevin betrachtete die dunkle Silhouette, die sich im Gegenlicht durch die Vorhänge vor Frau Wilkens Fenster abzeichnete.
Elida Wilkens. Jetzt gerade schien sie an einem Schreibtisch zu sitzen, den Oberkörper leicht vornüber gebeugt, und etwas zu schreiben oder zu zeichnen.
Nachdem er ihr bis zu ihrem Haus gefolgt war und anhand des Klingelschilds ihren Nachnamen herausgefunden hatte, war das Erlangen der übrigen Informationen ein Kinderspiel gewesen. Und doch stellten ihn diese Erkenntnisse vor neue Rätsel. Warum traf sich Alan Lancefield mit einer Frau aus derart einfachen Verhältnissen? Wie war der Kontakt zustande gekommen? Dass der Unternehmer bestimmte Absichten verfolgte, stand für Kevin fest – die Frage war, ob Frau Wilkens sich bewusst auf dieses ‚Geschäft‘ einließ.
Er sah auf seine Armbanduhr und beschloss, für heute Feierabend zu machen. Den offenen Fragen würde er am nächsten Tag auf den Grund zu gehen.
-12-
„Oh. Mein. Gott. Hast du heute Morgen schon Frau Wilkens gesehen? Sie sieht aus wie ein Fotomodell…naja, zumindest beinahe.“
Solcherlei Kommentare, die in der typischen Mischung aus Überraschung, Neid und gespieltem Desinteresse vorgetragen wurden, verbreiteten sich an diesem Morgen wie ein Lauffeuer durch alle Büros von Infinity Design.
Ella trug ein dunkelgrünes Kostüm, kombiniert mit bequemen und doch schicken Pumps, dazu passenden dezenten Schmuck und eine elegante schwarze Handtasche aus Leder. Sie hatte ihre halblangen, gepflegten Locken mit ein wenig Styling-Gel in Form gebracht und ihre Augen und Lippen dezent betont.
Nicht ganz so selbstbewusst wie ein Model, aber doch in dem Wissen, gut auszusehen, absolvierte sie den täglichen Gang zu ihrem Schreibtisch mit einem wesentlich besseren Bauchgefühl als sonst – und freute sich insgeheim über die fassungslosen Blicke von Weißenborn und Co.
„Oh là là, Frau Wilkens… Sie haben sich ja richtig in Schale geworfen! Lust auf ein kleines Gespräch unter vier Augen in meinem Büro? Ich habe auch Champagner da!“
Herrn Hellmanns Stimme troff vor unverhohlener Lüsternheit, während er seine langjährige Mitarbeiterin im Vorbeigehen von oben bis unten musterte. Ellas Inneres schüttelte sich vor Ekel. Während der letzten Jahre hatte sie häufig gehofft, dass er einmal Interesse an ihr zeigen würde – doch dabei hatte sie eher Interesse an ihren persönlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten im Sinn gehabt als die Argumente, die aus dem Ausschnitt ihres Oberteils hervorlugten. Sie rang sich ein verkrampftes Lächeln ab und zog es im Übrigen vor, den Blickkontakt zu meiden. Glücklicherweise schien er mit anderen Dingen beschäftigt zu sein, denen er nun wieder seine Aufmerksamkeit widmete.
Federico staunte mit offenem Mund, als sie an seinen Schreibtisch trat und ihn scheu anlächelte. Seine braunen Augen schienen nicht zu wissen, wo sie als erstes hinsehen sollten, und auch sein Sprachvermögen wirkte massiv eingeschränkt. „Oh“ war das einzige, was er herausbrachte.
Er mag mich tatsächlich . Nun wusste Ella es mit Sicherheit, und diese Gewissheit machte sie mutiger denn je. „Danke für die Blumen. Sie… sie sind wirklich schön. Und die Karte auch.“
„Das freut mich“, entgegnete er und wirkte erleichtert. „Das Motiv ist von mir.“
Sie lächelte und lobte das hübsche Blumendesign, woraufhin ein Schweigen entstand.
Entschuldigend wies er schließlich auf den Bildschirm vor sich. „Ich muss gleich eine Präsentation halten“, sagte er, „aber ich würde dich gern für übermorgen zu uns einladen. Wir haben am Wochenende – morgen – eine kleine Familienfeier. Simi wird auch da sein… kommst du?“
Er hatte während dieser kurzen Rede nicht ein einziges Mal Luft geholt und sah Ella nun so bittend an, dass diese nur lächelnd zusagen konnte. Aufmerksam betrachtete sie das jungenhafte Gesicht
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