Ellernklipp
sagen ›languissant‹, und ich denke, wir wissen, was es meint.«
»Aber languissant ist irdisch. Und du hast doch gehört, mit dem Irdischen ist es für sie vorbei.«
»Nicht doch. Er sprach bloß von der Zukunft. Und wenn wir auf
die
warten, ich mein auf die Zukunft, so wachsen wir uns
auch
noch in die himmlische Liebe hinein. Beiläufig, wie denkst du sie dir?«
»Entbehrlich.«
Und sie lachten und medisierten weiter.
In des Heidereiters Haus aber wuchs der festliche Lärm, und als spät nach Mitternacht alles heimkehrte, war keiner, der nicht versichert hätte, daß dies die lustigste Hochzeit seit Menschengedenken gewesen sei.
»Und je lustiger die Hochzeit, desto glücklicher das Paar.«
Fünfzehntes Kapitel
Das kranke Kind
Ja, das war der Tag, der unvergessen in Emmerode fortlebte, und nur einer war, der eine beinahe gleiche Teilnahme geweckt hatte,
der
, an dem es hieß: »Die Störche ziehen, aber in Bocholts Haus ist einer angekommen.« Und so war es; Hilde war eines Kindes genesen, eines Knäbleins mit spärlichem rotblondem Haar, und die weise Frau hatte gesagt: »Es wird nicht alt. Es ist zu hübsch und zu durchsichtig und sieht aus, als wüßt es alles.«
Und nur zu bald zeigte sich's, daß die weise Frau richtig gesprochen, obschon es anfänglich gedieh und runde rote Backen hatte. Doch ehe noch ein Vierteljahr um war, konnte jeder sehen, daß es krank war, denn mit eins wurd es blaß, und seine Wimpern schlossen sich, und das Atmen wurd ihm schwer. Und wenn dann der Anfall vorüber war, schlief es ein und nahm keine Nahrung und schlief viele Stunden lang, als wär es tot. Und dann kniete Hilde vor der Wiege nieder und seufzte leise: »Armes Kind«, und küßte es, erst still und dann leidenschaftlich; ach! sie durft es, ohne Furcht und Sorge, es aus dem Schlafe zu wecken. Das müde Kind schlief eben weiter. Und zuletzt kam Grissel, die, seit das Kind da war, wieder zu Hilde hielt, und schickte die junge Frau hinaus, in Feld oder Garten, »daß sie doch mal was anderes säh als das arme kranke Wurm«, und setzte sich selbst heran, auf einen Schemel oder eine Fußbank, und sang ihr »Buküken von Halberstadt« mit solcher Gewalt über die Wiege hin, daß es immer war, als ob sie dem Kinde was von ihrer eigenen Lebenskraft einsingen wollte. Und dabei ging die Wiege wie auf hoher See. Wenn dann aber ein neuer Anfall kam, so holte sie heiße Tücher vom Ofen oder aus der Küche her und legte sie auf den Leib des Kindes; denn sie hatte ganz bestimmte Heilmittel und ging davon aus, daß es ein »Reißen« sei; »Kinder hätten immer das Reißen, und sei kein Unterschied, ob in Kopf oder Zahn oder Ohr oder Leib«. Aber die heißen Tücher machten es nur schlimmer, und die heftigen Anfälle minderten sich erst, als Grissel eines Tages mit dem alten Melcher Harms gesprochen und dieser ihr gesagt hatte: sie solle die heißen Tücher lassen und statt ihrer einen Doppel-Spezies oder einen großen Mansfelder Taler auf die Herzgrube des Kindes legen. Und wenn er da drei Vaterunser lang gelegen, dann solle sie den Spezies oder den Mansfelder wieder fortnehmen und einen neuen hinlegen. Denn das Kind brauche Kühle, nicht aber Hitze.
Das half denn auch, wenigstens auf Wochen hin, und der alte Melcher Harms würde vielleicht noch weiter geholfen und jedenfalls der Mutter ein Trosteswort gesprochen haben, wenn er nur hätte ins Haus kommen und das Kind sehen dürfen. Aber das litt der Heidereiter nicht, und als Hilde sich ein Herz nahm und es bei sich bietender Gelegenheit in bestimmten Worten von ihm erzwingen wollte, wurd er rot und sah so bös aus wie früher, wenn ihm die Zornader schwoll. In allem anderen aber war er stiller geworden und weniger streng und ließ vieles hingehen, und nur gegen den Melcher Harms, wie Hilde mit jedem Tage mehr erfahren mußte, verblieb ihm ein Groll, der um so tiefer saß, als er sich mit
dem
mischte, was er sonst nicht kannte: mit Furcht. Er mutmaßte nämlich, daß der Alte damals, als er an seinem Bette gewacht, allerlei von dem, was das Fieber auszuplaudern pflegt, gehört haben müsse. Von diesem Verdachte konnt er nicht los, und eines Tages, bald nach der Hochzeit, wurd es ihm wie zur Gewißheit.
An diesem Tage war Melcher Harms wie gewöhnlich des Weges gekommen, seinen Spitz neben sich und sein Strickzeug in der Hand, und die Kühe des Heidereiters, als sie das Läuten von fernher gehört, waren von selbst aus der offenen Stalltür getreten und hatten sich
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