Ellernklipp
Wimpern. Aber die Wimpern, du mein Gott, die hätten ja von Jugend auf die Mauser gehabt, und neben einer fehlten immer zwei. Und dann das bißchen rote Haar. I nun, das möchte gehen. Aber woher
habe
sie's denn? Von der Muthe nicht, die sei schwarz gewesen; und von dem Rochussen erst recht nicht, der sei pechschwarz gewesen und eigentlich überhaupt bloß ein Zigeuner.
Und so ging das Gerede und Gelach. Aber an dem Tage, wo die Hochzeit stattgefunden hatte, da war es anders gewesen, und alles hatte sich herzugedrängt, um das Paar zu sehen. Überall, an der Hecke hin, hatten sie schon vom ersten Läuten an gestanden, und in der Kirche hatte kein Apfel mehr zur Erde gekonnt. Und hatte nicht anders sein können, denn auch viele Ilseburger waren herübergekommen, und in dem gräflichen Chorstuhl hatte nicht bloß die Gräfin gesessen, sondern auch ihr Besuch: Offiziere aus dem Preußischen und Sächsischen her, und darunter ein alter General mit bloß einem Auge und einem schwarzen Seidenfleck auf dem anderen. Und dann war der alte Sörgel von der Sakristei her erschienen und hatte vor dem Altar ein kurzes Gebet gesprochen, ernst und schön; aber eine kleine Weile, da war ihm das Zittern gekommen, an dem er noch mehr litt als an dem Schwindel, und sie hatten ihm einen Stuhl bringen müssen. Und weil er nun so niedrig saß, waren Baltzer Bocholt und Hilde niedergekniet, und so zu den Knienden hatte der Alte gesprochen und ihnen die Traurede gehalten. Er hatte den Text dazu wohlweislich aus dem Buche Ruth genommen, weil er sich der Vorliebe Hildens für das Weib des Boas aus früheren Tagen her sehr wohl erinnert hatte. Der Text aber hatte gelautet: »Und Ruth sprach zu Naemi: Laß mich aufs Feld gehen und Ähren lesen,
dem
nach, vor dem ich Gnade finde.« So waren die Worte gewesen, über die der Alte geredet, eindringlich, liebevoll und kurz. Und als er zuletzt die Formel gesprochen und sie zusammengegeben, hatte sich Hilde von der Bank erhoben, auf der sie gekniet; aber Baltzer Bocholt war noch auf seinen Knien geblieben und hatte sich erst aufgerichtet, als ihm Hilde zugeflüstert, es sei Zeit. Und danach hatte jeder sehen können, wie's ihm um den Mund gezuckt, keiner aber deutlicher als der alte Melcher Harms, der all die Zeit über unterm Chorstuhl der Gräfin gestanden.
Und danach hatte man die Kirche verlassen, und alle Geladenen waren in das Hochzeitshaus hinübergegangen, um an dem Schmaus und der Freude des Tages teilzunehmen; an Melcher Harms aber, der seitens des Heidereiters nicht aufgefordert worden, war einer der gräflichen Diener mit der Weisung herangetreten, daß ihn die Gräfin um die sechste Stunde zu sprechen wünsche.
Da hatte sich der Alte verneigt. Und mit dem sechsten Glockenschlage war er erschienen und durch die große Halle hin auf einen mit einem vergoldeten Gitter eingefaßten Balkon geführt worden, auf dem die Gräfin mit ihren Gästen Platz genommen und eben ein angeregtes Gespräch begonnen hatte. Zumeist mit dem alten General, der quer saß und mit seinem zugeklebten Auge – denn die Dinge dieser Welt bedeuteten ihm nichts mehr – in die Landschaft sah. Als aber die Gräfin ihres Schützlings ansichtig geworden, hatte sie sich erhoben und ihn ihren Gästen als ihren »besten Freund« vorgestellt, was bei den jungen Herren ein Lächeln und eine Verwunderung, bei dem alten General indessen, der ein Zinzendorfscher war, eine freudige Zustimmung gefunden hatte.
»Setzt Euch, Melcher Harms. Hierher, bitte. Ich habe den Herren von Euch erzählt. Und der Herr General, der im Bekenntnis steht und an die Wunder und Wege Gottes glaubt, möcht Euch kennenlernen und ein Wort von Euch vernehmen. Ihr waret in der Kirche heut und habt den alten Sörgel gehört. Wie schien er Euch?«
»Er hat mir das Herz getroffen . Und das hat er, weil er die
Liebe
hat. In
der
steht er und wirket in Segen, obwohlen er den Quell des Glaubens vermissen läßt, um
die
, die wahrhaft dürsten, damit zu tränken. Er hat nur die
zweite
Liebe, die Menschenliebe... Zumeist aber liebt er die Hilde, das liebe Kind, das nun heute seines Pflegevaters ehelich Weib geworden ist. Und Gott gebe seinen Segen und tue das Füllhorn seiner Gnaden auf und woll alles zum Guten und Besten wenden.«
»Aber, Vater Melcher, das klingt ja fast, als fürchtet Ihr ein Gegenteil! Und ich denke doch, alles liegt gut. Ich habe wohl reden hören von des Heidereiters Sohn, und daß sie
den
geliebt hätt und nicht den Alten. Aber Ihr wißt,
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