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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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wir haben ihn in unseren Amtsblättern aufrufen lassen und danach in allen Gazetten, ohne daß er gekommen wär oder ein Zeichen seines Lebens gegeben hätte. Und ist nun tot befunden und erklärt. Oder glaubt Ihr, er werde wiederkommen?«
    »Er wird nicht wiederkommen«, antwortete Melcher, indem er seine Stimme hob. »Und
wenn
er wiederkommt, so kommt er, woher wir ihn nicht rufen können. Und kommt freiwillig, um noch zu ordnen, was zu ordnen ist. Denn ewig und unwandelbar ist das Gesetz!«
    Alle horchten auf.
    Die Gräfin aber entgegnete: »Ich weiß, Vater Melcher, daß Ihr an solche Erscheinungen glaubt, und ist nicht Ort und Stunde, dafür oder dawider zu streiten. Und auch nicht darüber« – und hier verbeugte sich der alte General gegen die Gräfin –, »ob nicht die Gnade mächtiger und unwandelbarer ist als das Gesetz. Über all das nicht heute. Heute nur
das:
Ihr wißt, daß er tot ist?«
    Der Alte bejahte.
    »Nun denn, so seh ich nicht, was Euch Furcht oder Sorge schafft. Oder mißtraut Ihr dem Manne? Daß er bei Jahren, ist nicht vom Übel. Es sind nicht die schlechtesten Ehen, wo der Mann sein Ansehen verdoppelt, weil er zugleich ein Vater und Erzieher ist. Ich hab umgekehrt mehr Ehen daran scheitern sehen, daß dies Ansehen fehlte. Der Baltzer Bocholt aber
hat
das Ansehen; er ist ein ehrenhafter Mann und wird die Hilde nicht an den Altar gezwungen haben.«
    Der Alte schwieg.
    »Ihr schweigt. Wenn Ihr es anders wißt, so sagt es. Ich hab eine Teilnahme für das Kind. Ich meine für die junge Frau.«
    »Nein, er wird die Hilde nicht an den Altar gezwungen haben«, wiederholte Melcher Harms die Worte der Gräfin. »Und doch ist es ein Zwang.«
    »Ihr müßt deutlicher sprechen, Vater Melcher. Ihr seid zu vorsichtig in Eurer Rede.«
    »Nun denn, Gräfin, sie hat nie vergessen, was er an ihr getan; aber zugleich auch ist sie die Furcht vor ihm nie losgeworden. Und aus Furcht und Dankbarkeit ist es gekommen, und aus Furcht und Dankbarkeit hat sie ja gesagt.«
    Unter diesem Gespräch hatte sich die Teilnahme des alten Generals, dem in der Tat ein gut herrnhutisch Herz in der Brust schlug, immer aufrichtiger dem »Erweckten von Emmerode« zugewandt; die Gräfin aber antwortete: »Sörgel und Ihr, Melcher Harms, ihr seid ihr Freund. Aber Ihr wißt doch, was die Leute sagen: sie lebe so müd und matt in den Tag hinein; und stille Wasser seien tief. Und sei keiner, dem sie's nicht angetan. Und habe doch selber kein Herz und keine Liebe. Ja, lächelt nur! Ihr seht, ich habe meine Zuträgerschaften. Aber ich mißtraue solchem Urteil, und nun sagt mir das Eure.«
    »Wer das alles von der Hilde gesagt hat, der hat sie gut genug gekannt. Aber er ist auf halbem Wege stehengeblieben. Ja, Gräfin, es ist eine sehnsüchtige Natur, die Liebe will. Und daß ich's sagen muß: auch irdische Liebe. Danach trachtete sie durch Tag und Jahr und wartete darauf und wartet
noch
. Und ist all' umsonst, wie lang sie warte. Denn ich seh ihre Zukunft so klar wie die Tanne drüben auf Ellernklipp, und weil sie's auf Erden nicht finden wird, so wird sie's suchen lernen dort oben und wird sich klären und in himmlischer Liebe leben und sterben. Und wird ein Engel sein auf Erden. All das seh ich, und sehe nichts mehr von ihrer Schuld und Schwäche. Ja, Gräfin, eine Gebenedeite wird sie sein, sie, die heute nach dem unerforschlichen Ratschlusse Gottes ihres Pflegevaters Frau geworden ist. Und wird die Kraft haben, viel manchen von uns freizubeten, zumal auch
einen
, den ich heute nicht nennen will.«
    Er hatte das alles mit dem ganzen Leuchteblick eines echten Konventiklers gesprochen, der sich seiner Prophetengabe voll bewußt ist, und selbst die jungen Herren, die sich anfangs nur spöttische Bemerkungen über das »Orakel von Emmerode« zugeflüstert hatten, waren still geworden. Der alte General aber, als Melcher Harms jetzt aufstand, stand mit ihm auf und gab ihm das Geleite durch Saal und Halle hin bis an die Wendeltreppe.
    Die jungen Offiziere ihrerseits hatten inzwischen ihren Übermut wiedergewonnen und zogen sich, ungestört von der Gräfin, in eine Balkonecke zurück, die jedem einzelnen einen Blick auf das Tal und das gegenüberliegende Haus des Heidereiters gönnte.
    »Sieh, Lothar«, sagte der eine, »sie stecken jetzt drüben die Lichter an.«
    »Aber ohne Hymens Fackel.«
    »Es wird so schlimm nicht sein«, entgegnete der erste wieder. »L'appetit vient... Und nun gar
die
: blaß und rotblond und matt und müde. Wir

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