Elton John - Bego, M: Elton John
kaum zu glauben, dass der Elton John, der auf der Bühne herumwirbelte und sich die Seele aus dem Leib sang, wirklich der unauffällige Typ war, den wir gerade backstage getroffen hatten.
Aber diese Dichotomie charakterisierte Elton eigentlich immer. Er wirkte schüchtern und bescheiden, und nur Minuten später stand er auf der Bühne und hämmerte wie ein Wilder auf die Klaviertasten ein. Zu den eindrücklichsten und schrägsten Momenten dieses Konzerts gehörte die Zugabe, zu der Elton John in voller Tina Turner-Montur auf der Bühne erschien, mit einem Minirock aus Leder, Make-up und einer riesigen Perücke, die aus der Ära von „What’s Love Got To Do With It?“ zu stammen schien.
Dieser Abend inspirierte Andy Warhol zu einem Eintrag in sein Tagebuch: „16. September 1986. Um 20 Uhr zum Elton John-Konzert aufgebrochen (Kartenpreis 40 Dollar). Er erschien uns auf der Bühne wie ein Engel mit Heiligenschein und Zottelperücke. Und er ist unheimlich fett. Er hatte einen Kaftan aus Silberlamé an, aber hauteng, und das Publikum war total vernarrt in ihn. Als ich um 22 Uhr gehen musste, war Elton immer noch in voller Fahrt.“ (1)
Es war für alle ein denkwürdiger Abend gewesen, obwohl Andy das Tina Turner-Outfit verpasst hatte.
In dieser Zeit beschäftigte sich Elton auch mit seinem nächsten Album. Leather Jackets hätte wegen seines reduzierten, raueren Sounds eigentlich ein Riesenerfolg für ihn werden sollen, aber es schoss am Ziel vorbei und fand kein Publikum. Das Album enthielt einige Songs, die sich darauf bezogen, was sich in Eltons Leben gerade abspielte: „Don’t Trust That Woman“ klingt verdächtig danach, als sei seine Ehe am Ende gewesen. „I Fall Apart“ und „Go It Alone“ zeigen Elton in einer sehr düsteren und zerbrechlichen Stimmung. Obwohl das Album zum größten Teil in Zusammenarbeit mit Bernie entstanden war, wirkten noch ein paar weitere Songwriter mit. „Memory Of Love“ brachte Elton zum Beispiel wieder mit dem Texter Gary Osborne zusammen. Elton war alle Texte, die Bernie ihm geliefert hatte, durchgegangen, hatte sich dann in seine Aufzeichnungen vertieft und ein bislang unbeachtetes Juwel aus seiner Arbeit mit Osborne entdeckt.
Das Cover von Leather Jackets zeigt eine sehr Warholeske Montage aus neun Bildern von Elton John in einer Lederjacke. Er ist in verschiedenen Farben vor einem grellpinken Hintergrund im Siebdruck abgebildet. Auf der Rückseite des CD-Booklets sind Elton und seine Band in voller Ledermontur zu sehen, als seien sie alle harte Motorradrocker. Elton allerdings wirkt nicht, als habe er sich für das Aufnahmeritual einer Motorradgang, sondern eher für eine Nacht in einer Schwulendisco herausgeputzt.
Außerdem hatte Leather Jackets noch eine beeindruckende Menge an Gaststars zu bieten, darunter Cher (Songwriting), die Queen-Mitglieder John Deacon (Bass) und Roger Taylor (Schlagzeug) und Kiki Dee als Background-Sängerin. Das Album wurde erneut von Gus Dudgeon produziert und John Reid fand wieder einmal Erwähnung als Eltons Manager. Was für Probleme „Sharon“ und „Beryl“ auch miteinander gehabt haben mochten, sie schafften es, sich zumindest kurzfristig zusammenzuraufen. Laut Duncan Faure nannte Elton John Reid scherzhaft seine „Managerpuppe“, als wäre Reid sein weiblicher Sidekick.
Damals gab Elton auch erstmals öffentlich zu, dass er und John Reid nicht nur als Manager und Klient, sondern auch als Liebespaar zusammengelebt hatten.
„Ja, fünf Jahre lang“, bestätigte Elton der Zeitschrift Q . „Aber wir arbeiten immer noch zusammen und stehen uns noch genauso nahe wie früher. Es ist unglaublich, dass wir das geschafft haben.“ (2)
Nach Eltons Einschätzung gibt es einige Alben, auf denen er ziemlich durch den Wind war, zum Beispiel Leather Jackets , das Album mit dem Biker-Cover. „Mir ging es überhaupt nicht gut: Ich war verheiratet und zog mir eine Tüte Koks nach der anderen rein.“ (3)
Ein Song darauf trägt den Titel „Don’t Trust That Woman“ und wird den Songwritern Cher und Lady Choc Ice zugeschrieben. Elton hatte sich früher schon mal Lord Choc Ice genannt, aber wer war nun diese Lady? Natürlich ebenfalls Elton John, der eins seiner weiblichen Pseudonyme benutzte.
Wie alle Elton John-Alben hat auch Leather Jackets ein paar Highlights und brillante Momente. Der Song „Paris“, eine wundervolle Ballade, wird vollkommen zu Unrecht kaum gewürdigt. 1985 lebten Elton und Renate vorübergehend getrennt, und
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