Elvira, Rubina und Sabine
zusammen mit ihren 70er-Jahre-Blusen aus meinem Leben streichen. Dort war sie auch nie drin. – Mal davon abgesehen, dass sie gerade in mir drin ist. – Ich bin doch keine Gefangene!
Aber Elvira war gleichzeitig klar, dass irgendetwas sie zum Bleiben zwang. Sie zwang, das alles durchzustehen. Und noch viel mehr, wenn es sein musste.
Ich glaube, ich bin doch mitten in einer Prüfung, in einer großen Prüfung, dachte Elvira. Und im Gefängnis.
„Hör auf, Schluss“, sagte sie zu Frau Elstermeier, „ich bin doch nicht im Gefängnis!“ Letzteres sagte sie mehr zu sich selbst.
„Dein Kopf ist dein Gefängnis, mein kleines Häschen“, säuselte Frau Elstermeier dort unten zwischen Elviras Beinen.
Etwas Platteres hätte ihr wohl nicht einfallen können, dachte Elvira. Und überhaupt, wie kam sie dazu, sie Häschen zu nennen?
Aber Frau Elstermeier, die Therapeutin, hatte recht. Elvira hasste es, durchschaut zu werden.
Frau Elstermeier gehörte zu diesen Frauen, denen sexuelles Selbstbewusstsein scheinbar angeboren war. Und wie Elvira gerade sah, hatte sie es zu Recht.
Nur sie, Elvira, sie köchelte in ihrer Sexkrise vor sich hin. Als einzige Frau auf der Welt. Alle anderen Frauen hatten ein wunderbares Sexleben. Nur sie allein war ein Mangelwesen.
2
WARUM ES UNS SO SCHARF MACHT war der Titel des Elstermeier-Referats gewesen.
Elvira hatte Frau Elstermeier ein halbes Jahr zuvor auf einer Tagung über „Die Erotisierung von Gewalt in den Medien“ kennengelernt; zunächst war ihr die etwa 40-jährige Frau Elstermeier, die klassische Hosenanzüge in dunklen Farben und darunter bunte Blusen mit riesengroßen, fledermausflügelähnlichen Kragen trug, außerdem hatte sie eine raffinierte Hochsteckfrisur, gar nicht aufgefallen. Ins Gedächtnis kehrten Elstermeier, Hosenanzüge und Hochsteckfrisur erst wieder zurück, als Elvira eines Tages von ihr angerufen wurde.
Bereits auf der Tagung war Frau Elstermeier verhaltensauffällig geworden, weil sie nicht von Elviras Seite wich und sie, dies allerdings sehr charmant, umschmeichelte.
Elvira war zu dieser Zeit aber hinter einer Frau mit fast kahlgeschorenem Kopf namens Silke Hackenberg her, die ihre geistigen Räume vollständig ausfüllte; und außerdem waren ihr diese ganzen Anrufe Frau Elstermeiers zu aufdringlich. Es war nämlich nicht bei diesem einen Anruf geblieben. Frau Elstermeier hatte etwa zweimal pro Woche angerufen und jedes Mal auf eine Verabredung gedrängt, immer heftiger und vehementer, sie war schon fast zum Quälgeist geworden: ach komm doch mal zum Kaffee vorbei, wie wär’s, soll ich dir.meine S/M-Videos zeigen? Du musst unbedingt mal mein 12-teiliges Kaffee-Service sehen.
Natürlich wird jede Frau gern umschmeichelt. Und darin war auch Elvira ganz Frau. Silke Hackenberg mit den kurzen, blond-gefärbten Haaren und dem schweren Schuhwerk auch im Sommer hinderte sie in Wahrheit ebenfalls nicht daran, an der Hochsteckfrisur und den Pumps der Frau Elstermeier Gefallen zu finden.
Nein, es war etwas anderes, und das gab Elvira nicht gern vor sich zu. Ihre weibliche Intuition hatte ihr von Anfang an eingeflüstert: Frau Elstermeier ist eine Rakete im Bett.
3
„Was hast du eigentlich vorhin gesagt?“, fragte Frau Eistermeier, nachdem sie zuvor Monologe über das Internet gehalten hatte. Vor dem Internet hatte sie über die Telekom geredet, über das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter, über die würdevolle Schönheit von Schreibwarenläden, und davor hatte sie erzählt, dass sie neulich ihre Traumbluse gefunden habe. Außerdem hatte sie mehrmals „ach Gott, sind die niedlich, die Kleinen“ gesagt, denn offenbar hatte sie einen Narren an Elviras Brüsten gefressen.
„Was hast du vorhin gesagt?“
Hör gefälligst auf! Das habe ich gesagt!, dachte Elvira.
Frau Elstermeier hatte ihre Finger ganz langsam aus Elvira herausgezogen, den Handschuh abgestreift und mit der willigen Elvira gekuschelt. Frau Elstermeier hatte pausiert und war darüber ins Plaudern gekommen, und Elvira konnte nicht leugnen, dass es kuschelig war, grundlos innig – schließlich kannten sie sich nicht – ‚ und Elvira konnte ebenfalls nicht leugnen, dass Frau Elstermeier alle Varianten beherrschte, auch die zärtliche. Elvira hätte auf der Stelle in Frau Elstermeiers Arm einschlafen können. Aber sie hatte geahnt, dass dies nur eine kurze Verschnaufpause bedeutete. Neben dem Bett
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