innerhalb der Wohnung, und Sandras Stöhnen, das jedoch nur etwa drei Sekunden währte, war so laut zu ihnen herübergekommen, als hätten sie entweder ihre Tür aufgelassen oder es, was immer es war, genau vor Sabines und Claudias Zimmertür getan.
Claudia und Sabine waren im Intercity von Leipzig nach Berlin auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen. Am liebsten wäre ihnen ein Abteil für sich allein gewesen, aber das schien aussichtslos. Bis sie das Sonderabteil entdeckten. Es war verschlossen. Die Schaffnerin kreuzte ihren Weg; dem Schild an ihrer Jacke entnahmen sie, dass sie Rita Seelig hieß, und so sprachen sie sie auch mit ihrem Namen an.
„Frau Seelig“, baten sie, „können wir nicht bitte in das Sonderabteil hinein? Wir sind so müde.“
„Nun“ sagte Rita Seelig. „Das Sonderabteil ist eigentlich der Minibar vorbehalten, aber die hat uns in Leipzig verlassen.“ Sie musterte Claudia, Sabine und die rosafarbene Reisetasche eingehend. „Also gut. Ich will mal eine Ausnahme machen.“ Und mit diesen Worten schloss sie die Tür auf.
In ihrem ergatterten Sonderabteil machten Claudia und Sabine es sich gemütlich, klappten die Armlehnen zurück, zogen ihre Schuhe aus und legten sich, so gut das möglich war, gemeinsam auf einen Dreiersitz. Übermüdet plauderten sie über die Urlaubsfotos aus New York von Jan und Sandra, die sie sich heute Morgen unerlaubterweise angesehen~ hatten. Sie hatten geschnüffelt. Und dabei auch die gelbe Haftnotiz nicht übersehen, die mitten auf Sandras Schreibtisch prangte und auf der „Ich will dich“ notiert war. Die milchigblauen, langstieligen Weingläser fanden Claudia und Sabine übrigens hässlich. Jan hatte die Urlaubsfotos geknipst, und auf allen war Sandra, etwa in Größe eines Fliegenbeins, vor einem Gebäude zu sehen.
Claudia und Sabine trieben auf den Sitzen mit den zurückgeklappten Armlehnen nichts Wildes. Der Zug hatte keine Zwischenstation und tuckerte gemächlich durch Waldschneisen hindurch vor sich hin. Sie machten kleinen, wohligen und ungeplanten Sex, der immerzu davon unterbrochen wurde, dass sie mittendrin kurz wegsackten – kleiner Sex im Dös- und
Dämmerzustand.
Zwischendurch kam Frau Seelig kontrollieren und sagte: „Oh, Entschuldigung! Ich wollte nicht stören!“
Dann schliefen sie wirklich ein bisschen ein.
Zur Autorin
* 1964 in Altenhundem, Studium der Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, lebt als Schriftstellerin und Lektorin in Berlin. Bisher 12 Buchveröffentlichungen.
Restexemplare ihrer ersten Bücher gibt es zur Zeit noch direkt über den Verlag:
Regina NÖSSLER : „Strafe muss sein“ (Erotischer Roman, 1994), „Wie Elvira ihre Sexkrise verlor“ (Erotische Erzählungen, 1996), Wahrheit oder Pflicht (Roman über eine Pubertät in den 1980ern (ideal auch für 80er Jahre Fans, es gibt viele Fotos im Buch): „Dieses Buch enthält soviel Wahrheit, dass es Pflicht sein sollte!“ (Fritz), „Eifersüchtig durch den Winter“ (Roman) ... Zuletzt erschienen u.a. der Roman „Dienstagsgefühle“ über die Frage, wie Liebe anfängt, ob sie einfach einmal einen Tag aufhören kann, der Beziehungsthriller „Die Kerzenscheinphobie“ und die Krimis „Kleiner toter Vogel“ und „Auf engstem Raum“.
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