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Emil und die drei Zwillinge

Emil und die drei Zwillinge

Titel: Emil und die drei Zwillinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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begrüßte den Onkel des Pikkolos und bat ihn, am Tisch Platz zu nehmen.
    Der Kapitän gab allen die Hand und meinte: „Nur nicht so förmlich. Sonst gehe ich wieder.“
    Deshalb setzten sie sich alle. Der neue Gast bestellte beim Kellner einen Grog von Rum. Dann sagte er: „So’n Haufen junges Volk am Tisch, — das ist ganz was Feines. Erzählt mal was aus der Schule, ihr Brüder. Seit ich vom Gymnasium flog, sind vierzig Jahre vergangen. Das war eine dolle Zeit.“ Die Jungen dachten nach. Aber es wollte ihnen nichts einfallen, was einen alten Kapitän interessieren konnte. Er blickte erwartungsvoll von einem zum andern, schlug sich aufs Knie und meinte: „Ist’s die Möglichkeit! Da waren wir aber andre Kerls! Bei uns passierte jeden Tag irgend ein Unfug.“
    „Ach, so was wollen Sie hören?“ rief Gustav.

    Dachtet ihr vielleicht, ihr sollt mir das Lied von der Glocke aufsagen?“
    Gustav meinte: „Ich habe mir in der letzten Woche vor den Ferien ein Ding eingerührt, das war nicht von schlechten Eltern. Erst wollten sie mich gleich an die Luft setzen. Aber es hat sich noch einmal eingerenkt.“
    Die andern hörten gespannt zu.
    „Das kam so“, erzählte Gustav. „Vor der Physikstunde war große Pause. Und da war der Mehnert, das ist unser Primus, zum Direktor gelaufen und hatte einen von uns verraten. Nicht mich. Aber ich bin in der Klasse ‘ne Art höhere Gewalt. Und wenn so was los ist, bin ich die Exekutive.
    Nun hatte der gute Mehnert aber Angst und ließ sich in der Pause nirgends blicken. Er kam erst, als wir schon alle im Physiksaal saßen, mit Purzel, ich meine, mit Herrn Professor Kaul angerückt. Der Schuldiener war auch dabei. Der hilft dem Professor Kaul immer bei den Experimenten.
    Es sollte irgend was mit elektrischen Funken gezeigt werden.
    Die Funkenlänge oder etwas Ähnliches. Kaul und der Schuldiener bauten die Apparate auf. Und dann wurden die schwarzen Vorhänge zugezogen. Damit wir im Dunkeln die Funken besser sehen konnten. .Mensch’, sagte da Körte, mein Nachbar, leise. ,Das ist eine fulminante Gelegenheit. Du schleichst dich im Dunkeln vor bis an die erste Reihe, knallst dem Mehnert ein Ding hinter die Löffel, und ehe Purzel, nein, Professor Kaul Licht gemacht hat, bist du längst wieder auf deinem Platz.’
    Der Vorschlag gefiel mir kolossal. Denn wenn so’n Verräter wie Mehnert vor allen Leuten eine geklebt kriegt, daß es ‘n Echo gibt, und bei Licht war’s gar niemand, sondern die Gerechtigkeit persönlich, — na, so ein überirdischer Vorgang ist natürlich ein Glücksfall.“ Gustav sah sich prüfend um. Die andern lauschten angespannt.

    „Na ja“, meinte er. „Es war stockdunkel. Wie im Kohlenkeller. Und Purzel, nein, Professor Kaul sagte, es ginge gleich los, und wir sollten auf die Funken Obacht geben. Und während nun alle Obacht gaben, schlich ich mich bis zur ersten Reihe vor und holte mächtig aus. Fehlgehen konnte die Ohrfeige nicht.
    Denn Mehnert sitzt seit Jahren in der ersten Reihe auf dem ersten Platz.
    Ich holte, wie gesagt, enorm aus und knallte dem Kerl ein Ding, daß mir fast die Hand abgebrochen wäre.“ Kapitän Schmauch schlug sich aufs Knie. „Ausgezeichnet!
    Dann setztest du dich wieder hin. Und niemand war’s gewesen.“ Gustav schüttelte melancholisch den Kopf. „Nein, ich setzte mich nicht wieder hin. Sondern ich blieb vor Schreck stehen, wo ich stand.“
    „Vor Schreck?“ fragte Klotilde. „Wieso vor Schreck?“
    „Mehnert hatte nämlich keine Haare.“
    „Keine Haare?“ fragte Emil.
    „Er hatte eine Glatze. Es war nämlich gar nicht Mehnert, sondern Purzel, nein, der Herr Professor Kaul.“ Sogar der Kellner, der den Grog für den Kapitän gebracht hatte, hörte zu.
    „Jawohl“, meinte Gustav. „Professor Kaul hatte sich im Dunkeln neben Mehnert in die Bank gesetzt. Weil er das Experiment auch sehen wollte. Kann man ja verstehen. Physik ist für einen Physikprofessor natürlich hochinteressant. Aber ich konnte ja schließlich nicht riechen, daß er sich im Finstern auf Mehnerts Platz gesetzt hatte.“
    Kapitän Schmauch lachte derartig, daß man die Kapelle nicht mehr hörte. Obwohl sie gerade einen Marsch spielte.
    Fräulein Klotilde Seelenbinder war ganz blaß geworden. „Entsetzlich!“ flüsterte sie. „Da kriegt man ja Gänsehaut.“ Der Justizrat beugte sich vor. „Und wie ging die Geschichte weiter?“
    Gustav kratzte sich hinterm Ohr. „Is ja alles halb so wichtig“, sagte er. „Aber immerhin. Mir ist

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