Ende (German Edition)
sich Nieves, «und jetzt ist es fast zehn.»
«Viertel vor», korrigiert Ibáñez.
«Vielleicht haben sie nicht damit gerechnet, dass sie den letzten Kilometer zu Fuß gehen müssen», vermutet Amparo.
«Das ist kein Kilometer», protestiert Nieves, «nicht mal ein halber.»
«Mir kam’s endlos vor», insistiert Amparo, die jetzt die Verpackungen abräumt. «Wieso mussten sie den Weg auch sperren, früher konnte man bequem mit dem Auto bis hierher fahren.»
«Ja, und auf dem Hof parken», ergänzt Nieves, «und dabei die Säulen streifen. Damals haben wir uns eindeutig selbst überschätzt. Diese Steine haben Geschichte.»
«Das ist das große Paradox von Demokratien», doziert Ibáñez. «Um die Rechte der Gemeinschaft zu wahren, wird dem Einzelnen immer mehr verboten. Man darf nicht mehr rauchen, nicht mehr trinken, nicht mehr schneller als achtzig fahren.»
«Was soll falsch daran sein, wenn man besoffene Raser, die andere in Gefahr bringen, aus dem Verkehr zieht?», empört sich Nieves.
«Ich will damit nur sagen, dass es der Staat mit seiner Fürsorge ein bisschen übertreibt. Er behandelt uns wie Kinder, die nicht für sich selbst entscheiden können. Vielleicht ist das der geheime Plan: uns zu infantilisieren.»
«Und wieso willst du unbedingt mit zweihundert Sachen durch die Gegend rasen?», stichelt Amparo.
«Will ich gar nicht», erwidert Ibáñez. «Ich hab nur Angst, dass dieser paternalistische Eifer, mit dem der Staat einem vorschreibt, was gut und böse ist, sich auch auf andere Gebiete ausdehnt, aus rein ideologischen Gründen.»
«Aznar war genau deiner Meinung», kontert Amparo. «Warum darf ich nicht ein, zwei Gläschen trinken und so schnell fahren, wie es mir passt, hat er mal gesagt.»
Ibáñez zögert. Es scheint, als wolle er dazu etwas anmerken, aber er schweigt, und bekommt nur rote Wangen.
«Hast du nicht gesagt, dass du nicht gern streitest?», provoziert er schließlich. «Oder gilt das für politische Themen nicht?»
«Wenn ich sie wenigstens auf dem Handy anrufen könnte», versucht Nieves das Thema zu wechseln, «aber hier ist ja kein Empfang.»
«Sie wussten doch, um wie viel Uhr sie kommen sollten, oder?», fragt Ibáñez.
«Natürlich. Ich hab mich deutlich ausgedrückt. Außerdem habe ich heute Nachmittag noch mit Maribel gesprochen, die mit ihren Vorbereitungen fast fertig war. Und gefreut hat sie sich auch.»
«Die werden schon kommen», beruhigt sie Ibáñez. «Hoffentlich bringen sie Taschenlampen mit, draußen ist es nämlich stockdunkel.»
«Ich bin ganz schön nervös», sagt Amparo. «Einige habe ich seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen.»
«Glaubst du, ich bin nicht nervös?»
«Wir sind alle nervös», sagt Ibáñez, «aber findet ihr nicht, dass ein Gutteil dieser Nervosität Neugier ist, Neugier darauf, welche Spuren das Alter hinterlassen hat, wie weit der physische und moralische Verfall vorangeschritten ist?»
«Wenn hier jemand moralisch verkommen ist, dann du», kontert Amparo. «Wie kann man nur so zynisch sein!»
«Stimmt», pflichtet Nieves ihr bei. «Du sprichst vielleicht von dir, aber nicht von uns. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn alle glücklich sind.»
«Tja», legt Ibáñez nach, «schade, dass die Autos da vorne geparkt werden müssen. Damit fällt schon mal eine Gelegenheit flach, sich gegenseitig runterzumachen. Die männlichen Mitglieder der Gruppe können sich nicht um die Motorhaube versammeln oder auf ein fremdes Lenkrad klopfen oder gegen Reifen treten, wie das sonst bei solchen Treffen üblich ist. Und morgen ist es dafür zu spät. Wenn wir erst mal eine gewisse Zeit miteinander verbracht haben, ist es nicht mehr das Gleiche.»
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Maribel – Rafa
W ow, was für eine tolle Frau! Wie hieß sie noch gleich? María? So elegant und so schlicht! Ich fand sie wirklich nett.»
«Hätte die Karre keine Traktionskontrolle und wäre sie nicht ziemlich niedrig für einen Geländewagen, hätten sie keine Chance gehabt, dann wären sie umgekippt.»
«Ginés ist auch nicht zu verachten. Das Haar lichtet sich schon ein bisschen, aber sonst hat er sich gut gehalten. Die beiden geben ein schönes Pärchen ab.»
«Er hätte rechtzeitig bremsen sollen, mit ABS wäre das kein Problem gewesen, auch nicht auf einem Waldweg. Man muss einfach aufs Bremspedal steigen und das Lenkrad festhalten.»
«Findest du nicht, dass sie ein hübsches Paar sind?»
«Schon, obwohl sie viel jünger ist als er,
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