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Endithors Tochter

Titel: Endithors Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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auflodern, hinter ihren Augen tanzen und sie zu etwas zwingen zu wollen. Das ungeheure Gewicht des Schwertes zog sie zu Boden.
    Sie sank auf die Knie.
    »Krieche!« Kus entblößte die Zähne zu hämischem Grinsen. »Krieche! Kriech zu mir und flehe mich um meinen durstigen Kuss an. Krieche! Rote Sonja, krieche!«
    Sie wankte, ließ ihr Schwert fallen. Ihr Kopf schien zu schweben – nach rechts, nach links, zurück, vorwärts. Dröhnende Musik rüttelte an ihr; Bilder aus ihrer Jugend überschwemmten sie, Bilder von Mutter und Vater, ihr häusliches Glück – und all die Bilder zogen sich zu Kus zurück, der ihr den süßen Frieden ihrer Kindheit versprach, wundersamen Mondschein, warme Erde, endlose Träume und scharlachrote Flüsse, um ihren Durst zu stillen …
    Sie kroch. Ihre nackten Knie schleiften über den Holzboden, stießen gegen Chost und seine Freunde. Sie krabbelte über die Jungen, starrte zu Kus hoch, der immer noch zu wachsen schien und dessen gelbe Augen weiterhin brannten und ihr wie zwei Fackeln aus einem finsteren Wald den Weg nach Hause wiesen.
    »Heim – Kus …«
    »Komm, Sonja, ja, komm …«
    Doch während zufriedene Wärme ihre Haut rötete, während ihre Arme schwer wurden und sich immer neue angenehme Bilder vor ihr inneres Auge schoben, rührte sich ein Instinkt in ihr – ein Knurren in ihrer Seele – etwas Tiefes, Uraltes, etwas Menschliches aus einer Zeit, da die Menschen noch unverfälschte Barbaren waren – ein Wispern, das Kus ablehnte …
    »Komm, Sonja …«
    Eine Stimme, die Kus ablehnte.
    »Ja – komm, Sonja. Krieche …«
    Ein geistiger Schrei, eine innere Befreiung, eine Freiheit, die Kus ablehnte …
    »Ja, ja, komm, nun werde ich dich belohnen …«
    Nein!
    »Ich bin hier.« Er beugte sich über sie. »Du liebst mich, Sonja.« Der Schein seiner gelben Augen überspülte sie. »Ich bin dir alles, Sonja.«
    Sein fauliger Atem strich über ihre Wange.
    »Nei-ei-ei-ei-ein!«
    Ihre Verzweiflung, ihr Grauen, ihr aus der Urfurcht geborener Schrei warf sie zurück. Kus lachte und griff nach ihr …
    Und Sonja, die sich wie in einem Traum selbst sah, stieß beide Hände in ihren Gürtelbeutel und zog den Talisman heraus …
    Kus’ Augen weiteten sich.
    Sonja plagte sich aufzustehen, kam auf die Füße, schwankte – und Kus wich zurück. Sie hob beide Hände. Der Talisman glühte weiß in ihnen – und Kus schrie.
    Mit aller noch verbliebenen Kraft warf Sonja sich auf Kus und der Talisman schlug auf seine Brust. Das weiße Glühen schien ihn auszufüllen. Ein weißer Rauch stieg auf und ein Knistern, ja Prasseln war zu hören. Kus schrillte und ließ sich nach hinten fallen.
    Dann breitete sich schwarzer Nebel in der Kammer aus und verbarg das Fenster. Der Vampir veränderte seine Form, löste sich auf, zog sich zurück. Sonja kippte nach vorn und hielt den Talisman fest, als wäre er ihre Seele, ihr Leben.
    An den Fensterscheiben sah sie eine Erscheinung: schwarzer Nebel, der unmenschlich wimmerte, als er sich wie ein bewegter Teppich über das Sims zurückzog.
    Sie sackte auf den Boden, drückte den Talisman an sich und fiel darauf, als Gesicht, Ellbogen und Knie auf den rauen Holzbrettern aufschlugen.
    Sie träumte von Särgen, die schrien und schrien … .
     
    Sie erwachte und wusste irgendwie, dass nur kurze Zeit verstrichen war. Mit dem Schlaf war auch das Grauen vergangen, und das Böse hatte sich zurückgezogen. Leise hörte sie eine Frau schluchzen, und rollte sich herum.
    War es das erste Licht des neuen Tages, das durch das Fenster fiel, oder glühte der Talisman noch weiß in ihren Händen?
    Lera, die neben dem Bett kauerte, schluchzte und weinte hinter den Händen, die sie vor das Gesicht geschlagen hatte, und sie zitterte am ganzen Leib.
    Sonja drehte sich um und schlief weiter. Sie war völlig erschöpft, aber im Traum brannte das weiße Licht in ihrem Kopf, und der Geruch von gestocktem Blut quälte ihre Nase.
    Areel war sicher nach Hause zurückgekehrt; nicht durch das Nordwesttor, denn als ihre Kraft schnell zurückkehrte, hatte sie Stadtwächter die Straße vom Tor kommen gehört. Sie wollten der Ursache der Schreie nachgehen.
    Während der Mond höher stieg, war sie der Stadtmauer gefolgt und hatte sich dicht in ihrem Schatten gehalten. Die frische Nachtluft hatte sie neu belebt. Schließlich hatte sie die Stadt durch ein kleines Tor in der Nordmauer betreten und war durch Seitenstraßen und Gassen zu ihrem Haus zurückgekehrt.
    In ihrem Gemach zündete

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