Endlich bei dir in Virgin River (German Edition)
im Norden. Vor allem jetzt, wo sie allein war. Ihre Söhne waren ihr treu ergeben, aber sie waren alle beim Militär und konnten nicht immer sofort für sie da sein, wenn sie sie brauchte. Der Älteste von ihnen war Luke, der damals ein Black-Hawk-Pilot war, der Jüngste war Patrick, genannt Paddy, der zu dieser Zeit gerade auf die Navy-Akademie gegangen war. Sie alle lebten also nicht mehr zu Hause und konnten ihre Mutter nur besuchen, wenn „Uncle Sam“ es erlaubte.
Maureen, pragmatisch veranlagt, nahm die Dinge also selbst in die Hand und suchte sich eine Eigentumswohnung in Phoenix. Ihr Apartmentkomplex ähnelte sehr einem Urlaubsresort. Ein Ort, wie auch Sean ihn gewählt hätte – weswegen es ihn erstaunte, dass seine Mutter sich dafür entschieden hatte – mit Golfplatz, Tennisplätzen, Gemeinschaftszentrum, mehreren Swimmingpools und einer heftigen Mitgliedsgebühr. Doch was für seine Mutter vor allem wichtig war: Hier musste sie nicht Rasen mähen oder Schnee schippen, und sie hatte ein aktives Sozialleben. Alles, was sie tun musste, war, an irgendwelchen Aktivitäten teilzunehmen – schon lernte sie neue Leute kennen. Also hatte Maureen angefangen, Golf und Tennis zu spielen, und stellte in den regelmäßig stattfindenden Bridge-Partien ihre Fähigkeiten unter Beweis.
Nach außen hin schien sie das perfekte Leben zu führen. Wenn man allerdings genauer hinsah, so kam es Sean jedenfalls vor, beteiligte sich seine Mutter nur an diesen zahlreichen Freizeitaktivitäten, um etwas zu tun zu haben. Er fragte sich, ob die Hobbys, mit denen sie sich die Zeit vertrieb, ihr eigentlich wirklich Spaß machten.
Irgendwie fand er, seine Mutter passte nicht hierher. Ihr Vater war Elektriker gewesen, ein Mann, der immer viel gearbeitet und einen anständigen Lohn mit nach Hause gebracht hatte. Reich waren sie trotzdem nicht gewesen, bei fünf Söhnen. Damals lebten sie in einem kleinen Häuschen in einem Chicagoer Vorort. Es hatte drei Schlafzimmer – eins davon teilten sich drei Jungs, im zweiten schliefen die zwei anderen Jungs. Bei Seans Geburt hatte das Haus bereits mehr als vierzig Jahre auf den Buckel, und seine Eltern steckten bis über beide Ohren in Schulden. Als ihr Vater gestorben war, konnte Maureen endlich das tun, worauf sie Lust hatte – dank der Lebensversicherung, Witwenrente und dem Geld aus dem Hausverkauf. Daher zog sie mitsamt ihrem Mobiliar nach Phoenix, in die kleine Zweizimmerwohnung mit einem Jacuzzi, und zum ersten Mal in ihrem Leben besaß sie eine Geschirrspülmaschine, die sie allerdings nur einmal in der Woche laufen ließ.
„Ich weiß nicht“, hatte Sean damals zu ihr gesagt. „Das hier bist du irgendwie nicht.“
„Nein, es ist weniger Arbeit“, hatte seine Mutter erwidert.
„Du hast keinen Gemüsegarten mehr.“
„Dann kaufe ich die Erbsen und Tomaten eben. Außerdem muss ja nicht mein restliches Leben hier verbringen. Vielleicht finde ich noch irgendwas anderes, wo es mir besser gefällt.“
„Oder du heiratest noch mal.“
„Pah“, stieß sie verächtlich aus. „Da ist es doch wohl wahrscheinlicher, dass einer von euch Jungs eine Frau findet und sich irgendwo niederlässt. Und dann ziehe ich in die Nähe.“
„Wir sind alle beim Militär! Wenn wir eine Frau finden, werden wir zwanzig Jahre lang kreuz und quer mit ihr durchs Land ziehen.“
„Sean, wenn ich eins gelernt habe, dann das: Erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt.“
In den letzten zehn Jahren hatte sich allerdings nichts verändert. Und die gemütlichen, rustikalen Möbel seiner Eltern wirkten in der modernen Wohnung seiner Mutter immer noch merkwürdig fehl am Platz. Seit ihrem Umzug nach Phoenix war Maureen noch zwei Mal für jeweils drei Jahre wieder nach Chicago zurückgekehrt, um zu arbeiten. Doch jetzt befand sie sich endgültig im Ruhestand. Sie war Verwaltungsassistentin gewesen, ein echtes Allroundtalent, und zuerst bei der Polizei und dann bei einer Maklerfirma angestellt. Ihre Söhne vermuteten, dass die Langeweile sie in die Arbeit getrieben hatte und ihr Wunsch nach Entspannung sie dann wieder nach Hause. Glücklicherweise war sie durch ihren Vater gut abgesichert worden. Aiden, als Arzt mit einer Facharztausbildung in Gynäkologie, der bei der Navy arbeitete, stand ihr von all ihren Söhnen am nächsten und hielt seine Brüder auf dem Laufenden – falls er nicht gerade auf See war.
Für den seltenen Fall, dass alle fünf Brüder auf einmal zu Besuch kommen konnten,
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