Endlich bei dir in Virgin River (German Edition)
Bar an und begrüßte den grinsenden Jack.
„Morgen“, sagte Jack. „Frühstück?“
„Einen Scotch, wenn das in Ordnung geht.“
Überrascht sah Jack ihn an „Von mir aus“, erwiderte er und holte die Flasche.
„Harte Nacht gehabt?“
Eine wunderschöne Nacht, stellte Sean fest. Vielleicht war es genau das, was ihn so ankotzte. Der so vertraute, phänomenale, unfassbare Sex mit Franci, der ihn glauben ließ, er sei zu Hause angekommen, bei seiner Frau. Er hatte sich schon Gedanken darüber gemacht, wie sie alles organisieren konnten. Er wollte sie davon überzeugen, wie wunderbar das Leben mit ihm für sie war. Er liebte sie. Er freute sich auf ein Leben mit ihr. Nur die Vorstellung von Ehe und Kindern machte ihn nervös. Er hatte Angst, dass ihm diese Zwänge den Spaß am Leben nehmen würden. Aber selbst diesen Kompromiss würde er eingehen, um Franci in seinem Leben zu haben. Heiraten, okay, das ließ sich machen. Aber diese ganze Familiennummer – davon war er wirklich meilenweit entfernt.
Sein Gewissen meldete sich wieder. Denk doch mal nach, du Idiot, schalt es ihn. Du hast schon Familie. Da ist deine wildische Rose.
„Sean?“, fragte Jack und stellte ihm den Drink hin.
„Oh. Danke. Mir geht eine Menge im Kopf rum.“
„Oh“, antwortete Jack. „Ich muss zugeben, dass ich auch schon ein, zwei Mal an einem Sonntagmorgen vor zehn Uhr zum Scotch gegriffen habe, um meine Gedanken zu ordnen.“ Wie es sich für einen guten Barkeeper gehört, wandte er sich danach ab und suchte sich etwas zu tun.
Sean ließ die Jacke zu, weil niemand sein knopfloses Hemd sehen sollte und er nicht mit blanker Brust dasitzen wollte. Dreißig Minuten brauchte er für seinen Drink und dafür, sich davon zu überzeugen, dass alles nur Francis Schuld war. Er würde tun, was er tun musste, und sie würde betteln, dass er ihr ihren Betrug verzieh. Und das war nur der Anfang! Dann würde er sich von ihr erklären lassen, warum sie keinen Kontakt zu ihm aufgenommen und ihm nichts von Rosie erzählt hatte, bevor sie dreieinhalb Jahre alt war und sich von ganz allein Gedanken über ihren Vater machte. Das war einfach unverzeihlich.
Irritiert schüttelte er den Kopf.
Moment mal, du willst doch gar keine Kinder. Und jetzt bist du sauer, weil man dir deins vorenthalten hat?
Er war verwirrt. Sehr verwirrt.
„Sean?“, sagte Jack. Er sah auf. „Darf ich dir noch einen bringen?“
„Ja“, antwortete Sean und schob ihm sein Glas hin.
Jack goss ihm ein. „Falls du Hunger bekommst, Preacher ist in der Küche. Ich bin jetzt mal für eine Stunde nebenan.“
„Nebenan?“, fragte Sean.
„Ja. Du hast doch den neuen Pfarrer kennengelernt, oder? Der, der Luke und Shelby getraut hat? Wir sind ja nicht wirklich Kirchgänger, aber Noah ist ein netter Typ und seine Predigten sind gar nicht schlecht. Preacher und ich wechseln uns sonntags jetzt immer ab. Die Frauen wollen halt gerne in den Gottesdienst gehen. Wir tun unser Bestes, um die Kirche zu unterstützen. Wäre ganz gut, wenn das so weitergeht. Außerdem bringt der Mann mich häufiger zum Lachen, als er mir ein schlechtes Gewissen macht. Also, ich bin in knapp einer Stunde wieder da.“
„Alles klar“, erwiderte Sean. „Viel Spaß.“
„Wenn du noch da bist, wenn ich zurückkomme, können wir ja vielleicht zusammen frühstücken.“
„Ja, warum nicht“, erwiderte Sean.
Er blieb noch eine Weile sitzen und dachte daran, wie wenig das alles seine Schuld war. Schließlich war er von sich selbst gelangweilt. Seine Schulden bei Jack konnte er auch später bezahlen – er wollte jetzt gehen.
Unwillkürlich trieb ihn die Neugier zur Kirche. Was hatte Jack wohl mit „Es wäre gut, wenn es so weitergeht“ gemeint? Er betrat das Gotteshaus und blieb hinten stehen.
Gerade mal die Hälfte der Bänke war besetzt. Die meisten Leute saßen vorne, nur in der letzten Reihe hatten ein paar alte Männer aus den Bergen mit langen, grauen Bärten, die ihnen bis auf die Brust reichten, und langen Pferdeschwänzen Platz genommen. Sean setzte sich in die hinterste Bank auf der anderen Seite des Mittelgangs. Von seinen Sitznachbarn wehte ein Duft von kräftigem Landleben zu ihm herüber.
Unter den Gottesdienstbesuchern entdeckte er ein paar bekannte Gesichter – Luke, Shelby und Art zum Beispiel. Mel, Jack und ihre Kinder. Preachers Frau Paige mit ihren Kindern. Ganz vorne saß Walt Booth neben Vanessa, Paul und den Kleinen. Keine Spur dagegen von Walts Freundin Muriel.
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