Endlich bei dir in Virgin River (German Edition)
dringend etwas zu trinken.
Die vielen neuen Dinge, die nun auf ihn einstürzten, empfand er als Bedrohung. Er musste Franci einen Heiratsantrag machen und irgendwie ein Vater für die kleine Rose sein, der er seit ihrer Geburt war, ohne sie je gesehen zu haben. Er hatte zwar einige Freunde mit kleinen Kindern, allerdings hatte er sich nie viel Gedanken über das Vatersein gemacht. Er wusste nicht, wie so etwas ging. Und er hatte auch gar keine Lust darauf! Wenn er seiner Familie davon erzählte, würden sicher alle ausflippen. Allen voran seine Mutter Maureen.
Der nächste Schritt wäre, Franci davon zu überzeugen, zu ihm auf die Beale Air Force Base zu ziehen. Dafür blieben ihm gerade einmal fünf Wochen Zeit, dann war sein Urlaub vorbei. Ab demnächst hieß es also für ihn gemeinsames Bankkonto, gemeinsamer Schmutzwäschekorb, immer den Aufenthaltsort des anderen wissen, Kinderbetreuung organisieren. Möglicherweise konnte er Franci dazu überreden, nicht mehr zu arbeiten und sich stattdessen um den Haushalt zu kümmern.
Sean bekam keine Luft mehr.
In seiner Tasche vibrierte sein Handy. Als er es herausholte und daraufschaute, sah er, dass es eine SMS von Cindy war. Eine
lange
SMS, die er beim Fahren gar nicht erst zu lesen versuchte. Vielleicht würde er sie überhaupt nicht lesen.
Mit Cindy war er mal kurz zusammen gewesen. Er hätte die Beziehung ein für alle Mal beenden sollen, bevor er zu Luke aufgebrochen war – wenn man das Ganze überhaupt als Beziehung bezeichnen konnte. Aber Sean war eben Sean, und darum hielt er die Sache weiter am Laufen. Schließlich mochte Cindy ihn so gerne, und er konnte regelmäßig Sex haben. Cindy war eine Zivilistin, die auf dem Stützpunkt angestellt war. Sie war fünfundzwanzig und eigentlich ganz süß. Sie hatten sich an einem Freitagabend im Offiziersclub kennengelernt, und die Kleine hatte Vollgas gegeben. Noch am selben Abend landeten sie im Bett. Obwohl er ein ungutes Gefühl dabei hatte, ging er trotzdem danach noch ab und zu mit ihr aus. Er wusste, dass aus ihnen nichts werden würde, aber sie nicht. Sie fing an, bei ihm anzurufen, machte sich Hoffnungen, hatte Erwartungen, wollte mehr. Er versuchte, sie zu bremsen, doch sie war so voller Elan und ließ sich durch nichts entmutigen. Sean benahm sich wie ein Gentleman. Brav reagierte er auf die meisten Anrufe oder Textnachrichten von ihr – was vermutlich ebenfalls ein Fehler war. Dann eröffnete er ihr, dass er einige Zeit bei seinem Bruder verbringen würde. Er fand, das sei eine geeignete Gelegenheit, ein bisschen Abstand voneinander zu bekommen. Er hatte kein Interesse an einer festen Beziehung.
Cindy allerdings schon. Mindestens einmal am Tag hinterließ sie eine Nachricht auf seiner Mailbox oder schickte ihm eine SMS, manchmal von der fröhlichen Sorte –„Hey, wie geht’s?“ –, manchmal von der deprimierten Sorte à la „Warum rufst du nicht an, ich vermiss dich so“.
Sean dagegen wartete auf eine Nachricht von Franci, die ihm sagte: „Komm zurück, ich kann dir alles erklären.“ Aber da wartete er wohl vergebens. Sie wollte ihn nicht, wenn er nur seinem Pflichtgefühl nachkommen wollte. Sie wollte ihn komplett, mit einer bewussten Entscheidung für sie und das Kind. Seit wann war es ein Verbrechen, keine Kinder haben zu wollen? Er kannte eine Menge Typen, die keine Lust auf Familie hatten. Das machte ihn nicht zu einem schlechten Menschen.
Schließlich machte sich Sean zurück auf den Weg nach Virgin River. Und dachte, dass er den Mann gemocht hatte, der er damals war, als er mit Franci zusammen war. Er hatte die Pläne gemocht, die er geschmiedet hatte. Reisen wollte er, Abenteuer mit ihr erleben. Die Welt sehen, in den Alpen Ski fahren, durch Korallenriffe schnorcheln, in klaren, warmen Gewässern tauchen gehen, Fallschirmspringen, Berge besteigen. Es gab nichts, was er nicht gemacht hätte. Auch Franci hatte sich bei ihm wohlgefühlt – ihre Beziehung funktionierte. Der Air-Force-Pilot und die Krankenschwester, die gemeinsam so gut verdienten, dass sie sich die schönen Dinge des Lebens leisten konnten.
Sie hatte kein Recht gehabt, das zu tun, was sie getan hatte. Es ihm zu verheimlichen. Das war falsch von ihr. Sie war es, die einen Fehler begangen hatte, nicht er. Er war wenigstens ehrlich gewesen!
Vor Jacks Bar blieb er stehen – das einzige Lokal im Ort. Sie war geöffnet, wie er dem Schild entnehmen konnte. Sean ging hinein. Außer ihm war niemand da. Er steuerte direkt die
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