Endlich verheiratet?
Nehmen, als er gedacht hatte. Sie ließ sich von seiner Unfreundlichkeit nicht im Geringsten einschüchtern, sondern fegte strahlend an ihm vorbei in die winzige Diele und sah sich neugierig im Wohnzimmer um.
“Destiny hat sich bestimmt nur gedacht, dass Sie schon am Verhungern sind”, antwortete sie völlig überflüssigerweise auf seine eher rhetorische Frage. “Sie lässt Ihnen ausrichten, es würde ihr sehr leidtun, aber ihr wäre etwas dazwischengekommen.”
“Ja, darauf möchte ich wetten.” Der Duft von frischem Kirschkuchen stieg ihm in die Nase. “Was ist da in dem Korb?”
“Lassen Sie mich auspacken, dann zeige ich Ihnen alles. Übrigens stehen noch zwei Körbe im Wagen. Wenn Sie die holen, kümmere ich mich schon um diesen hier.”
“Sie könnten die Sachen einfach hierlassen und nach Alexandria zurückfahren.” Richard hoffte noch immer, die Begegnung abkürzen zu können.
“Mit leerem Magen? Nein, lieber nicht. Ich rieche nun schon seit zwei Stunden den Kirschkuchen, und ich gehe nicht, bevor ich nicht ein Stück davon gegessen habe. In einem der Körbe sind außerdem zwei Steaks und Folienkartoffeln, Butter und saure Sahne. Eigentlich etwas reichlich, wenn Sie mich fragen. Und es gibt jede Menge Salat und zwei Flaschen eines ausgezeichneten französischen Weins. Das ist angeblich Ihre Lieblingsmarke, obwohl ich finde, dass die kalifornischen Weine genauso gut schmecken und im Verhältnis viel weniger kosten.”
Destiny war zur Höchstform aufgelaufen. Richard seufzte. Sie hatte alle seine Lieblingsspeisen geschickt, obwohl sie sich angeblich um seinen Cholesterinspiegel sorgte. Er griff nach dem Korb und wich zur Seite. “Kommen Sie herein.”
“Sagte die Spinne zur Fliege”, fügte Melanie hinzu und steuerte zielsicher die Küche an. Vermutlich hatte Destiny ihr einen Grundriss des Hauses aufgezeichnet, womöglich auch einen Schlüssel gegeben, falls er versuchen sollte, ihren Schützling auszusperren.
“Sie liegen falsch, was uns beide betrifft”, stellte er fest. “Ich bin hier das Opfer.”
“Wie Sie meinen”, entgegnete die Besucherin unbekümmert. “Die anderen Körbe”, mahnte sie.
“Wie?”, fragte er verständnislos und begriff dann. “Ach ja, ich hole sie.” Fluchtartig verließ er die Küche und damit auch diese beunruhigende Frau, die offenbar das Regiment übernahm. Vielleicht klärte die kalte Luft seine Gedanken und brachte ihn auf eine Idee, wie er Melanie wieder loswerden konnte.
Leider war ihm bis zur Rückkehr ins Haus nichts weiter eingefallen, als dass er Melanie zu ihrem Wagen tragen und ihren Motor starten könnte. Das kam jedoch nicht infrage. Er war verloren. Wie zur Bestätigung landete eine dicke Schneeflocke auf seiner Stirn, und als er zum Himmel blickte, folgten noch einige mehr.
“Na toll”, murmelte er. Beim ihrem nächsten Zusammentreffen würde er Destiny den Hals umdrehen.
Drinnen stellte er die Körbe auf den runden Eichentisch, an dem er mit Destiny und seinen Brüdern oft gegessen und gespielt hatte. Rasch griff er zum örtlichen Telefonbuch. In der Nähe gab es eine Pension. Wenn Melanie sich sofort auf den Weg machte, schaffte sie es noch bis dorthin.
“Wen rufen Sie denn an?”, erkundigte sie sich, während sie das Essen auspackte.
“Die nächste Pension.”
“Warum?”
“Weil es schneit. Und weil Sie irgendwo wohnen müssen.”
Endlich hörte sie auf zu lächeln. “Es schneit?”
“Heftig”, bestätigte er grimmig.
Seufzend setzte sie sich an den Tisch. “Halten Sie es für möglich, dass Ihre Tante auch das Wetter kontrolliert?”
Richard musste über Melanies kläglichen Tonfall lachen. “Das habe ich mich auch gelegentlich schon gefragt”, räumte er ein. “Destiny verfügt zwar über zahlreiche Fähigkeiten, aber die Wetterkontrolle gehört wohl nicht dazu. Doch das geht schon in Ordnung”, fuhr er aufmunternd fort. “Die Pension ist hübsch. Sie werden sich dort wohlfühlen.”
Noch während er sprach, wählte er bereits. Es klingelte mehrmals, ehe sich ein Anrufbeantworter meldete und erklärte, die Pension sei bis nach Neujahr geschlossen. Richard verfolgte mit zunehmender Verzweiflung die Nachricht. Es gab noch ein Motel, doch dorthin hätte er seinen schlimmsten Feind nicht geschickt, schon gar nicht Melanie Hart, sonst würde er seiner Tante nie wieder unter die Augen kommen dürfen. Allerdings spielte Destinys Meinung nur eine zeitlich begrenzte Rolle, da er sie ohnedies erwürgen
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