Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
kennengelernt habe«, sagt Helen.
»Du warst mit einem Kerl zusammen, der aussieht wie ein Wasserbüffel?«
»Nein, der andere – nur ohne die Hauer.«
Die dunklen, leuchtenden Augen blicken voll Argwohn auf mich herab.
»Warum sollte jemand ein Lebewesen erschießen?«, murmele ich vor mich hin.
»Adrenalin. Testosteron. Der Kick bei der Jagd.«
»Wie soll ich mich denn bitte entspannen, wenn die uns das ganze Wochenende lang anstarren?«
»Sie starren nicht. Sie sind tot«, erwidert Helen und wedelt mit der Hand vor den Köpfen herum. »Siehst du? Sie zwinkern nicht mal.«
Ich bin keine Vegetarierin, daran kann es also nicht liegen. Ich wende mich von den kalten Augen ab und betrachte das alte Grammophon, das Sofa in burgunderrotem Leder und die antike Standuhr, die ausdruckslos Viertel vor zehn anzeigt, obwohl es schon nach Mittag ist. Nichts davon gehört uns, aber wir haben gutes Geld dafür bezahlt, damit wir uns hier ein Wochenende lang »wie zu Hause fühlen«. Allerdings ist es sehr merkwürdig, dies im Haus fremder Leute zu tun. Ich komme mir ein bisschen voyeuristisch vor, wie beim Kauf von Second-hand-Sachen. Trotz aller Pracht ist Blind Rise Ridge ein Haus, das jemand zurückgelassen hat. Ich kann die Traurigkeit beinahe riechen.
»Ein Kamin.« Ich seufze.
»Das Einzige, was wir nicht anfassen dürfen, ist der Flügel. Der wird nächstes Wochenende versteigert.«
Nicht, dass ich Klavier spielen könnte. Aber wozu die Leute in Versuchung führen? Man weiß nie, wer von uns nach Helens mehr als gut gemixten Cocktails einen kleinen Flohwalzer-Anfall bekommen könnte. Ich habe da schon so einiges erlebt.
Helen lässt sich in einen der gemütlichen Sessel fallen und legt die Füße auf den gepolsterten Hocker davor. »Ich hätte gern ein Glas Champagner und einen Cranberrysaft, danke.«
»Gehört zu diesem Haus etwa kein Butler?«
»Der hätte extra gekostet«, sagt sie seufzend.
»Zu schade.«
»Komm, sehen wir uns oben um.«
Mein erster Freund Travis hat einmal zu mir gesagt: »Wenn man sich ein Schlafzimmer aussucht, wählt man damit seine Träume.« Die Worte sind irgendwie hängen geblieben. Es stellt sich heraus, dass von den acht Zimmern im ersten Stock nur vier Betten haben. Ich will mich ja nicht beschweren, aber in der Anzeige stand etwas von acht.
Eines der Zimmer ist ein Arbeitszimmer mit einem Schreibtisch aus Stinkholz, das nächste eine Mini-Bibliothek mit Bücherregalen an den Wänden. Ich entdecke unter anderem eine vollständige Ausgabe der Encyclopaedia Britannica und ein mehrbändiges Werk mit dem Titel Australien im Krieg mit rotem Ledereinband. Das dritte Zimmer war offenbar mal ein Kinderzimmer – blaue Enten auf gelber Tapete, ein hölzernes Schaukelpferd in einer Ecke und ein kleines Pianola mit einem Hocker darunter in der anderen. Über den Tasten des Kinderklaviers hat jemand von Hand eine Bordüre mit Pferden und Kindern aufgemalt, die tanzen und Flöte und Laute spielen. Dies war ohne Zweifel einmal ein magischer Raum. Das ist jetzt keineswegs sentimental – ich muss bei dem Anblick nur daran denken, dass die Zimmer meiner Kinder von Monitoren und Displays und Plastikkrempel made in China geprägt sind. Beim Hinausgehen sehe ich die Striche am Türrahmen, mit denen jemand die Größe seines heranwachsenden Kindes markiert hat, und plötzlich wird mir ganz wehmütig ums Herz bei dem Gedanken, wie schnell Jamie und Aaron groß geworden sind.
Das letzte Zimmer am Ende des Flurs ist abgeschlossen. Helen probiert alle Schlüssel an ihrem Schlüsselbund aus. Keiner passt.
»Was meinst du, was da drin ist?«
»Ein paar Leichen und vielleicht irgendwelche Körperteile in Formaldehyd«, sagt Helen, und ich hoffe, es ist ein schelmisches Funkeln, was ich da in ihren Augen erkenne.
Ich lache und erwidere: »Du bist wirklich grausam.«
Die vier Schlafzimmer haben alle Erkerfenster, die sich der Landschaft entgegenschieben wie Brüste in einem Wonderbra. In zweien steht je ein Doppelbett, in den beiden anderen befinden sich je zwei Einzelbetten. Aha … für acht Personen. Helen lässt ihre Reisetasche auf das Bett im größten Schlafzimmer mit eigenem Bad fallen und erklärt, sie werde das Doppelbett liebend gern mit jeder von uns teilen, die ihr nächtliches Schnarchen und Pupsen erträgt.
Wie schön für sie! Ich persönlich kann dazu nur sagen, dass in dieser Phase meines Lebens Freundschaft und Liebe nicht mehr gleichbedeutend sind mit teilen. Im Lauf der
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