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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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es gut. Das Beste aber war, dass ich auf diese Weise lesen lernte.
    Bisher hatten wir lateinische Grammatiken für die Studenten gedruckt, die die Stadt bevölkerten. In letzter Zeit aber verfolgte mein Meister kühnere, größere Ziele: Bibeln. Damit war sicher viel Geld zu verdienen. Nach dem Wort Gottes sehnten sich die Menschen immer. Was wir brauchten, war nur eine zusätzliche Unterstützung durch unsere Geldgeber und eine Gelegenheit, bei der wir beweisen konnten, dass unsere Bücher mindestens genau so schön und akkurat waren wie die von den fähigsten Schreibern angefertigten.
    Mein Meister ahnte nicht, dass ich die Kunst des Druckens auch für mich allein übte. Schon hatte ich meinen Namen auf die kleine Werkzeugtasche gedruckt, die er mir am ersten Jahrestag des Beginns meiner Lehre geschenkt hatte. Ich reihte die Buchstaben einen nach dem anderen in meinen Winkelhaken, dann stempelte ich sie vorsichtig auf die Ledertasche und verewigte meinen neuen Namen darauf:
    E-n-d-y-m-i-o-n S-p-r-i-n-g
    Die Buchstaben waren ein bisschen schief geraten, aber der Name haftete fest.
    Ich wusste, dass Meister Gutenberg von meiner Fertigkeit beeindruckt war. Er sagte, ich hätte flinke Finger und einen noch flinkeren Verstand. Und ich entwickle mich zu einem guten Lehrling. »Einem rechten Druckerteufel«, sagte er halb im Scherz, nahm mir die Kappe vom Kopf und zauste meine Haare.
    Gern hätte ich ihm gesagt, dass auch er sich zu einem guten Vater entwickle, aber ich sagte es nicht. Ich konnte nicht. Ich hatte von Geburt an keine Stimme.

     
    In diesem Moment flog unten im Haus die Tür auf, und ich ging, um sie wieder zu schließen.
    Auf der obersten Stufe blieb ich abrupt stehen. Eine Gestalt hatte das Haus betreten und stürmte die Treppe herauf. Hinter ihr wirbelte ein Schneestoß zur Tür herein. Ich kehrte schnell ans Feuer und zu meinem Meister zurück.
    Kurz darauf erschien ein vierschrötiger Mann in der Werkstatttür. Der Frost hatte rote Striemen auf seinen Wangen hinterlassen, er atmete durch geblähte Nasenlöcher. Seine Blicke wanderten durch die Werkstatt, flogen über Tische und Geräte und blieben schließlich an meinem Meister hängen. Überrascht sah Meister Gutenberg auf.
    »Fust«, sagte er, als er den Fremden erkannte. In seiner Stimme lag nicht viel Herzlichkeit.
    Der Eindringling unterdrückte ein Lächeln. »Gutenberg«, gab er zurück.
    Fust bemerkte meinen missbilligenden Blick.
    »Wer ist der Bengel?«, fragte er, schnipste den Schnee von seinen Schultern und trat ans Feuer. Er war klein, hatte runde Schultern und trug einen schweren pelzbesetzten Umhang. Vor seiner Brust baumelten Ketten und Medaillons - ein sichtbares Zeichen seines Reichtums. Die Dielenbretter knarrten unter seinem Gewicht.
    Er hatte einen Schwall kalter Luft mit hereingebracht, und ich fröstelte.
    »Er heißt Endymion«, sagte mein Meister. »Mein Lehrling.«
    Ich glühte vor Stolz über diese Worte, aber Fust schnaubte verächtlich. Er riss die Handschuhe herunter und klatschte sie so heftig auf den Tisch, dass ich zusammenzuckte. Dann streckte er den Arm und nahm mein Kinn zwischen seine beringten Finger. Er drehte mein Gesicht von links nach rechts und musterte mich mit harten, abweisenden Augen, die im Feuerschein blitzten. Sein Haar war dicht und rötlich braun, und er hatte einen fuchsfarbenen Bart, der sich am Kinn in zwei spitz zulaufende Hälften teilte.
    »So? Endymion«, wiederholte er leise und wie zur Probe meinen Namen, doch gleich wurde er wieder laut. »Und was ist er für einer? Ein Träumer?«
    Mein Meister sagte nichts. Er hatte mir oft die alte Sage von Endymion erzählt, dem griechischen Hirtenjungen, der vom Mond geliebt wurde und dem ewige Jugend verliehen war. Der Meister meinte, der Name würde zu mir passen, weil ich oft in die Ferne blickte und von anderen Dingen träumte.
    »Was soll das, Johann?«, sagte Fust und ließ mich endlich los. »Seht ihn doch an: er ist ein Wicht! Zu mickrig, um ein paar Lettern zu halten, geschweige denn, um die Presse zu bedienen. Was kann er Euch nützen?«
    Ich wollte laut protestieren, aber über meine Lippen kam kein Wort.
    »Noch dazu ein Stummer«, sagte Fust erheitert und hüllte mich mit seinem schlechten Atem ein. »Sagt, Johann, wo habt Ihr ihn aufgegabelt?«
    In Gedanken beschwor ich meinen Meister, nicht zu antworten. Ich wollte nicht, dass er von dem Tag erzählte, als ich im Gedränge auf dem Marktplatz in seine Tasche gegriffen hatte. Ich war

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