Engel auf Abwegen
Gedanke, dass sie recht hatte. Ich schüttelte ihn sofort wieder ab und erinnerte mich daran, dass der Schlüssel zu der Art von Präsenz, die eine Frau wirklich bemerkenswert machte, darin lag, beigefarbene Kleidung und eine perfekte Frisur mit bestimmten Charakterzügen zu verbinden, die sie einzigartig machten. Das durfte jedoch nicht etwas sein, das leuchtete wie ein Neonschild. Es musste subtil, aber dennoch erinnerungswürdig sein.
So wie ich.
»Bald wirst du den Sinn erkennen.« Hoffte ich.
Nachdem wir uns an den Tisch gesetzt hatten, servierte Nina uns Hühnchensalat mit Mandeln und vertikal durchgeschnittene kernlose Trauben in einer Avocadohälfte, frische Früchte auf einem Salatbett, besprenkelt mit Dressing, das mein Hausmädchen selbst gemacht hatte. Und es gab natürlich süßen Tee – ohne Alkohol, versteht sich.
Ich betete, dass mein informelles Mittagessen mit nur einem Bruchteil der Regeln und des für einen ordentlich gedeckten Tisch notwendigen Bestecks für Nikki einigermaßen machbar war.
Der erste Hinweis darauf, dass es zu viel für sie war, war ihr entzückter Ausruf, als Nina den Teller mit den gefüllten Eiern servierte, mein Erbstück. Ich bin sicher, dass Nikki ihn umgedreht hätte, egal, was ich vorher gesagt hatte, aber in der Vertiefung lag ein Dutzend gefüllte Eier.
Sobald wir den letzten Bissen verspeist hatten, begann ich mit meinem Angriffsplan. »Ich habe dich beobachtet, als wir aßen, und möchte nur ein paar« – ich war ziemlich nett – »Bemerkungen dazu abgeben.«
»Ich bin bereit.«
Sie war wirklich begeistert. Zunächst jedenfalls.
»Da du Rechtshänderin bist, sollte deine linke Hand in deinem Schoß ruhen, während du isst. Deine rechte Hand hält die Gabel oder den Löffel.«
»Und wie schneidest du etwas?«
»Du hältst die linke Hand hoch, so.« Ich zeigte es ihr. »Die Gabel kommt in die linke Hand, und mit der rechten Hand schneidest du – deshalb liegt das Messer direkt neben deiner rechten Hand. Und nachdem du etwas geschnitten hast, legst du das Messer auf den Teller, ohne ein lautes Geräusch zu verursachen, aber leg es nie auf das Tischtuch. Dann nimmst du die Gabel wieder in die rechte Hand, legst die linke auf den Schoß und isst.«
»Du gütiger Gott!«
»Ausdrücke wie ›du gütiger Gott‹ sollte man in diesen Kreisen auch nicht benutzen, schon gar nicht bei Tisch.«
Sie sah verwirrt aus.
Ich fuhr fort.
»Kau mit geschlossenem Mund. Wenn du etwas im Mund hast, solltest du nicht reden. Und tupf dir zwischendurch immer die Lippen ab. Leute, die dir gegenübersitzen, wollen nicht durch Essensreste an deinem Mund abgelenkt werden.«
Sie verdrehte die Augen, aber Gott sei Dank behielt sie ihre Gedanken für sich.
Dann war die Konversation an der Reihe, und ich zählte einige Themen auf, die absolut tabu waren:
1. persönliche Gesundheit
2. Politik
3. Religion
4. Fragen zu einer anderen Person
5. persönliche Meinungen
Sie fing an, spöttisch zu lachen. »Großartig, eine Party, bei der sich alles nur um das Wetter und das Essen dreht.«
»Siehst du! Du hast es bereits verstanden.«
»Aber …«
Obwohl es ziemlich unhöflich ist, jemanden zu unterbrechen, konnte ich nicht anders. »Als Nächstes geht es um Umgangsformen.« Der Tag hat nur soundsoviele Stunden, und es war ja nicht so, dass ich diejenige war, die ihr etwas beibringen wollte. Es war nur fair, wenn ich ihre grell geschminkten Lippen nicht unbedingt ertragen wollte.
Umgangsformen sind ein kompliziertes Thema. Die Dinge, die ich ihr abgewöhnen wollte, aber nicht konnte, weil ich viel zu höflich bin, waren:
1. Das ganze Jahr über Weihnachtsbeleuchtung auf dem Haus ist NC.
2. Plastikzwerge oder rosa Flamingos im Hof sind noch schlimmer.
3. Man sollte nicht zu viel Wert auf perfekte Namen wie Betty und Carla legen.
4. Haare unter den Armen sollten den Franzosen überlassen bleiben. (Wenn man mit Wachs arbeiten muss, sollte man das nicht erwähnen. Frauen, die ihren Arm heben und wie ein Mann dort unten aussehen, können wohl kaum als Lady bezeichnet werden.)
Ich wollte das lieber für mich behalten und konzentrierte mich stattdessen auf die Punkte, die meine Mutter und die charmanten Damen bei Little Miss Debutante mir eingebläut hatten und die man auch als die vier absoluten Tabus bezeichnen kann:
1. Beherrsche niemals ein Gespräch.
2. Sprich nie so laut, dass man deine Stimme noch in drei Metern Entfernung hören kann.
3. Tu niemals etwas, das man in
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