Engel auf Abwegen
Schleifen neidisch sein würde.
»Lass uns in mein Ankleidezimmer gehen, dann zeige ich dir die Art von Kleidung, die du tragen solltest«, schlug ich vor.
»Wirklich? Würdest du das für mich tun?«
»Natürlich.«
Auf dem Weg nach oben blieb Nikki ein paarmal stehen, um sich dies oder jenes anzusehen. Eine Vase. Ein Gemälde. Familienerbstücke der Hildebrands.
Ich scheuchte sie in mein Schlafzimmer.
»Wow, das ist so …«
Ich erwartete, von ihr »hübsch«, »unglaublich«, »wunderschön« zu hören – Synonyme, die genau auf meinen Wohnbereich zutrafen.
»Es ist so beige«, sagte sie dann.
»Ja, nun …« Was sollte ich dazu sagen?
Ich führte sie in mein Ankleidezimmer, und obwohl sie die Farbe beige nicht noch einmal erwähnte, war sie noch kreativer. »Hier drin ist es so schlicht.«
Langweilig, beige, schlicht. Und sie redete von mir.
Sie ging zu den Einbauregalen und -schränken mit den Türen, deren Einsätze durchsichtig waren. Sie öffnete eine Tür und strich über die Kaschmirpullover (die man in Zentraltexas nur einige Monate im Jahr tragen kann und die
für den Frühling noch weggelegt werden mussten). »Sie sind so weich«, schnurrte sie und hielt einen Pullover an ihre Wange.
Dann legte sie ihn wieder zurück (ohne ihn zusammenzufalten). »Okay, ich bin bereit. Ich habe Howie gesagt, ich würde tun, was du sagst. Also sag mir, was für Sachen ich anziehen soll.«
»Als allgemeine Regel solltest du dir merken, dass eine Dame sich zurückhaltend und eher bescheiden kleiden sollte. Zum Beispiel beim Schmuck.«
Sie sah besorgt aus.
»Hast du je den Ausdruck gehört: ›Keine Diamanten vor dem Abendessen‹?«, fragte ich.
Sie kniff die Augen zusammen, während sie nach einer Antwort suchte.
Ich wollte nicht, dass sie schon so früh erschöpft war. »Das bedeutet, dass Diamanten – mit Ausnahme eines diamantenen Verlobungsrings – nicht tagsüber getragen werden sollten, schon gar nicht vor sechs Uhr abends.«
Sie hob die Hände und befühlte ihre riesigen diamantenen Ohrringe. »Ich darf meine Diamanten nicht tragen?«
Man hätte glauben können, ich hätte ihr gesagt, dass sie überhaupt keine Kleidung mehr anziehen dürfe, obwohl das wahrscheinlich nicht die gleiche Verzweiflung bei Nikki ausgelöst hätte.
Ich fuhr fort: »Außerdem trägt eine Lady nie eine Uhr nach sechs Uhr abends, wenn Leute … sagen wir einer gewissen Schicht nicht wissen sollen, wie spät es ist.«
Ihre Hand flog an ihr Handgelenk. »Wenn ich vor sechs Uhr keine Diamanten und nach sechs keine Uhr tragen kann, wann kann ich diese hier denn tragen?« Sie zog ihre diamantbesetzte Uhr hervor.
Ich versuchte, einen bedauernden Gesichtsausdruck aufzusetzen, und zuckte die Schultern. »Nie.«
»O mein Gott! Ich muss doch meine Uhr tragen. Ich liebe die Uhr. Es ist mein Lieblingsstück.«
»Und sehr hübsch.« Das war sie, aber viel zu extravagant. »Leider existiert eine Diamantuhr nur im Niemandsland und darf überhaupt nicht getragen werden.«
Nikki blinzelte ein paarmal.
Ich machte weiter. »Und nun zu den Fußkettchen.«
Sie blickte auf ihre Fußkette und kräuselte die Nase. Sie wusste, dass etwas nicht stimmte, wusste aber nicht, was es war. »Soll ich sie mit Strümpfen tragen?«
Ich unterdrückte ein Schaudern. »Nein, keinesfalls. Der einzige angemessene Platz für ein Fußkettchen ist auf dem Handgelenk.«
Ihre Augen wurden schmal. »Aber dann wäre es ein Armband.«
»Genau.«
Sie blinzelte erneut.
Bevor sie etwas erwidern konnte, sagte ich: »Kommen wir jetzt zu deiner Kleidung.«
Das gefiel ihr anscheinend überhaupt nicht, aber dann atmete sie tief ein. »Vielleicht könnte ich ein paar von deinen Sachen anprobieren und sehen, wie die mir stehen.«
»Ja, in Ordnung.«
Ich durchsuchte meine Kleidung und griff genau nach dem Kleid, das den Begriff »unauffällig« rüberbrachte: ein beigefarbenes Hemdblusenkleid mit einem breiten Gürtel. Ich hatte das Kleid noch nie getragen, denn es stellte meinen Busen zur Schau, was ganz und gar nicht schmeichelhaft für mich war. Meine Brüste sind zwar wunderschön, aber sie sind nicht besonders groß, und das Kleid trug nicht
gerade dazu bei, meine Figur zu betonen. Aber für Nikki wäre es gerade richtig.
»Voilà« , sagte ich und nahm es heraus. »Das ist perfekt für dich.«
Ihr Gesicht wurde lang. »Du willst wirklich, dass ich dieses scheußliche alte Ding da anziehe?«
13
»Probier es doch einfach mal an«, überredete ich
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