Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Engel aus Eis

Titel: Engel aus Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla L�ckberg
Vom Netzwerk:
kleines Malheur passiert.« Sie warf dem Hund, der sich dankbar an sie drückte, einen bedauernden Blick zu.
    »Ein kleines Malheur? Ernst hat mitten in mein Zimmer gekackt!«
    Nun konnte Gösta nicht mehr an sich halten. Seine verzweifelten Versuche, das Kichern zu unterdrücken, machten das Ganze nur noch schlimmer. Annika wurde davon angesteckt, und am Ende schrien sie beide vor Lachen, bis ihnen die Tränen übers Gesicht liefen.
    »Was ist denn hier los?«, fragte Martin neugierig. Paula war ihm dicht auf den Fersen.
    »Ernst …«, Gösta bekam kaum Luft, »Ernst hat … in Mellbergs Zimmer geschissen.«
    Im ersten Moment sah Martin völlig verwirrt aus, aber als sein Blick von dem Haufen zu dem Hund wanderte, der sich an Annikas Bein drückte, ging ihm ein Licht auf.
    »Nennst du … den Hund etwa Ernst?« Martin musste ebenfalls lachen. Mellberg und Paula waren nunmehr die Einzigen, die nicht hysterisch lachten. Aber während Mellberg kurz davor war, vor Wut zu explodieren, wirkte Paula vor allem ratlos.
    »Ich erkläre es dir später.« Martin wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
    »Mensch, Bertil, du hast ja echt Humor!«, meinte Martin dann.
    »Tja … man hat auch seine witzigen Seiten.« Widerwillig zog Bertil die Mundwinkel ein kleines Stück nach oben. »Sieh zu, dass hier saubergemacht wird, damit wir weiterarbeiten können.« Grunzend ließ er sich hinter seinem Schreibtisch nieder. Der Hund blickte zunächst etwas unsicher zwischen Annika und Bertil hin und her, beschloss dann aber, dass der Zornesausbruch seines neuen Herrchens vorüber sein musste, und schloss sich ihm schwanzwedelnd wieder an.
    Verdutzt betrachteten die anderen das seltsame Paar. Was der Hund wohl in Bertil sah? Irgendetwas war ihnen offensichtlich entgangen.
    Erica musste den ganzen Abend an Erik Frankel denken. Sie hatte ihn zwar nicht gut gekannt, aber er und sein Bruder Axel waren aus Fjällbacka nicht wegzudenken. Die Söhne vom Doktor nannte man sie im Ort immer, obwohl ihr Vater schon seit fünfzig Jahren nicht mehr praktizierte und im Übrigen seit über vierzig Jahren tot war.
    Sie erinnerte sich gut an ihren einzigen Besuch bei den Brüdern. Sie wohnten zusammen in ihrem Elternhaus, waren beide Junggesellen und interessierten sich brennend für Deutschland und den Nationalsozialismus, allerdings jeder auf seine Weise. Erik war Geschichtslehrer in der Oberstufe gewesen, sammelte jedoch in seiner Freizeit Gegenstände aus der Nazizeit, seinem Spezialgebiet. Wenn sie sich recht entsann, hatte Axel, der ältere Bruder, irgendetwas mit dem Simon-Wiesenthal-Zentrum zu tun. Während des Krieges hatte er, soweit Erica wusste, viel durchgemacht.
    Sie erzählte Erik schon am Telefon, was sie gefunden hatte. Sie beschrieb den Orden und fragte ihn, ob er ihr helfen könne, seine Herkunft zu erforschen und eine Antwort auf die Frage zu finden, wie er zwischen den Habseligkeiten ihrer Mutter gelandet war. Er hatte mit Schweigen reagiert. Mehrmals rief sie Hallo in den Hörer, weil sie glaubte, er hätte versehentlich aufgelegt. Dann bat er sie in einem merkwürdigen Ton, mit dem Orden bei ihm vorbeizukommen, damit er ihn sich ansehen könne. Es war so seltsam gewesen. Das lange Schweigen. Seine veränderte Stimme. Patrik gegenüber erwähnte sie ihr mulmiges Gefühl nicht. Lieber redete sie sich ein, sie hätte es sich nur eingebildet. Bei ihrem Besuch fand sie Eriks Verhalten im Zusammenhang mit dem Orden nicht ungewöhnlich. Sie wurde höflich empfangen und durfte ihm den Orden nach einer Führung durch die Bibliothek zeigen. Erik untersuchte ihn konzentriert und bat, ihn eine Weile behalten zu dürfen, um einige Nachforschungen anzustellen. Erica nickte. Sie war dankbar, dass sich jemand eingehender mit ihm befassen wollte.
    Die Sammlung wurde ihr ebenfalls gezeigt. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Verzückung betrachtete sie all die Gegenstände, die so eng mit einer schwarzen und bösen Zeit in der Geschichte verknüpft waren. Sie konnte sich die Frage nicht verkneifen, wie jemand, der gegen alles war, wofür der Nationalsozialismus stand, sich mit so vielen Dingen aus dieser Zeit umgeben konnte. Erik beantwortete ihre Frage nicht gleich. Nachdenklich nahm er eine Mütze mit einem SS-Abzeichen in die Hand.
    »Ich vertraue nicht auf das Gedächtnis des Menschen«, sagte er nach langem Überlegen. »Ohne Gegenstände, die wir sehen und anfassen können, vergessen wir zu leicht die Ereignisse, an die wir uns nicht

Weitere Kostenlose Bücher