Engel aus Eis
förmlich.
»Ja, aber Martin hat sich um Maja gekümmert, während ich drinnen war und mich ein bisschen umgesehen habe. Die beiden haben sich Blumen angeguckt.« Er zwang sich zu einem versöhnlichen Lächeln, erntete jedoch nur einen frostigen Blick.
»Ein bisschen umgesehen.« Die Eiswürfel klirrten erbarmungslos. »Du bist im Erziehungsurlaub. Die Betonung liegt auf Urlaub. Es kann doch nicht so schwer sein zu sagen: ›Im Moment arbeite ich nicht!‹«
»Ich habe doch nur einen Blick auf die Leiche geworfen …«, gab Patrik kraftlos von sich, obwohl er wusste, dass Erica recht hatte. Er war beurlaubt. Seine Kollegen konnten den Laden ohne ihn schmeißen. Außerdem hätte er Maja nicht zum Ort eines Verbrechens mitnehmen dürfen.
Plötzlich wurde ihm klar, dass ihr eine entscheidende Information fehlte. Es zuckte nervös in seinem Gesicht, als er schluckte und hinzufügte: »Es war übrigens Mord.«
»Mord!« Ericas Stimme überschlug sich. »Nicht genug, dass du Maja zum Fundort einer Leiche mitnimmst – die Leiche ist ein Mordopfer.« Sie schüttelte den Kopf. All die Worte, die sie ihm am liebsten an den Kopf geworfen hätte, schienen sich in ihrer Kehle zu stauen und ineinander zu verkeilen.
»Von nun an rühre ich keinen Finger mehr.« Patrik breitete die Arme aus. »Die anderen schaffen das auch ohne mich. Sie wissen, dass ich bis Januar beurlaubt bin. Ich werde mich hundertprozentig um Maja kümmern. Ehrenwort!«
»Das ist auch besser für dich«, knurrte Erica leise. Sie war so wütend, dass sie sich am liebsten über den Tisch gelehnt und ihn geschüttelt hätte, doch ihre Neugier ließ sie ein wenig zur Ruhe kommen.
»Wo war das überhaupt? Wisst ihr, wer das Mordopfer ist?«
»Keine Ahnung. Es war ein großes weißes Haus, gleich hinter der Mühle rechts ab und dann nach etwa hundert Metern auf der linken Seite.«
Erica sah ihn merkwürdig an. »Ein großes weißes Haus mit grauen Fensterrahmen?«
Patrik dachte nach und nickte dann zustimmend. »Ich glaube, ja. Auf dem Briefkasten stand Frankel.«
»Ich weiß, wer da wohnt. Axel und Erik Frankel. Erik Frankel ist doch der, dem ich den Naziorden gegeben habe.«
Patrik sah sie schweigend an. Wie hatte er das vergessen können? Frankel war schließlich kein Allerweltsname.
Vom Wohnzimmer hörten sie Majas fröhliches und noch weitgehend unverständliches Gebrabbel.
Als sie endlich zurück zur Dienststelle fuhren, war es bereits Nachmittag. Torbjörn Ruud, der Chef der kriminaltechnischen Abteilung, war mit seinem Team gekommen, hatte sorgfältige Arbeit geleistet und war wieder verschwunden. Die Leiche war auch nicht mehr da. Sie befand sich auf dem Weg zur Gerichtsmedizin, wo sie auf jede erdenkliche Art, die man sich vorstellen kann oder auch nicht, untersucht werden sollte.
»War das ein beschissener Montag«, seufzte Mellberg, als Gösta den Wagen in der Garage abstellte.
»In der Tat«, erwiderte Gösta, der wie üblich kein Wort zu viel verlor.
Als sie das Polizeigebäude betraten, raste ein zotteliges Etwas auf Mellberg zu und stürzte sich auf ihn. Im nächsten Augenblick spürte er eine Zunge in seinem Gesicht.
»Schluss damit!« Angewidert scheuchte Mellberg den Hund fort, der beleidigt zu Annika trottete. Dort war er wenigstens willkommen. Mellberg wischte sich den Speichel vom Gesicht. Gösta gab sich alle Mühe, ernst zu bleiben. Dass Mellbergs kunstvoll arrangierte Haarpracht verrutscht war, machte die Szene umso witziger. Gereizt ordnete Mellberg seine Frisur und begab sich murrend in sein Zimmer.
Kichernd zog Gösta sich ebenfalls zurück, zuckte aber erstaunt zusammen, als er ein vertrautes Brüllen hörte: »Ernst! Ernst! Komm sofort hierher!«
Verwundert wandte Gösta sich um. Sein Kollege Ernst Lundgren war bereits vor geraumer Zeit entlassen worden, und soweit er wusste, würde er auch nicht wiederkommen.
Mellberg rief erneut: »Ernst! Komm hierher! Sofort!«
Um sich Klarheit über die rätselhaften Vorgänge zu verschaffen, ging Gösta zurück zu Mellbergs Zimmer. Der Chef deutete mit hochrotem Kopf auf den Fußboden. In Göstas Kopf keimte ein Verdacht. Wie auf Bestellung zottelte mit hängendem Kopf der Hund herbei.
»Was ist das hier – Ernst?«
Der Hund tat, als habe er nicht die geringste Ahnung, wovon die Rede war, doch der Haufen in Mellbergs Zimmer war nicht zu übersehen.
»Annika!«, brüllte Mellberg. Sekunden später eilte die Sekretärin der Dienststelle herbei.
»Huch, da ist wohl ein
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