Engel aus Eis
jedoch begriff, dass es diese Option tatsächlich gab, fand sie sie gar nicht mehr so übel.
Fjällbacka 1945
E r hatte gehofft, dass Erik zu Hause sein würde. Es war ihm wichtig, vor seiner Abfahrt mit ihm zu sprechen. Er hatte Vertrauen zu Erik. Hinter seiner etwas spröden Fassade verbarg er etwas Echtes und Ehrliches. Und er wusste, dass er loyal war. Darauf zählte er am meisten. Denn Hans konnte nicht ausschließen, dass etwas passierte. Er wollte zurück nach Norwegen, und obwohl der Krieg zu Ende war, wusste er nicht, ob ihm etwas zustoßen würde. Er selbst hatte unverzeihliche Dinge getan, und sein Vater symbolisierte in seiner Heimat das Böse, das aus Deutschland kam. Er durfte nicht unrealistisch an die Sache herangehen. Da er nun Vater wurde, musste er ein Mann sein und alle Eventualitäten bedenken. Er konnte Elsy nicht ohne Rettungsnetz und Beschützer zurücklassen, und Erik war der Einzige, den er sich in dieser Rolle vorstellen konnte. Er klopfte an die Tür.
Erik war nicht allein. Hans seufzte, als er auch Britta und Frans in der Bibliothek erblickte, die auf dem Grammophon von Eriks Vater Schallplatten hörten.
»Meine Eltern sind bis morgen verreist«, erklärte Erik und ließ sich auf seinem Stammplatz am Schreibtisch nieder. Hans blieb zögernd in der Tür stehen.
»Eigentlich wollte ich mit dir sprechen.« Er nickte Erik zu.
»Was habt ihr denn für Geheimnisse?«, fragte Frans spitz und legte die Beine über die Armlehne des Sessels, in den er sich gelümmelt hatte.
»Genau, was verheimlicht ihr uns?« Britta grinste Hans an.
»Ich möchte lieber nur mit dir reden«, wiederholte Hans beharrlich.
Erik zuckte mit den Schultern und stand auf. »Wir können einen Moment hinausgehen.« Hans folgte ihm auf den Treppenabsatz vor dem Haus und machte sorgfältig die Tür zu. Dann setzten sie sich nebeneinander auf die unterste Stufe.
»Ich muss für ein paar Tage weg.« Er malte mit dem Schuh im Kies.
»Wohin?« Erik schob seine Brille hoch, die ihm immer wieder auf die Nasenspitze rutschte.
»Nach Norwegen. Ich muss nach Hause … um ein paar Dinge zu klären.«
»Aha«, erwiderte Erik desinteressiert.
»Ich würde dich gerne um einen Gefallen bitten.«
»Okay.« Wieder zuckte Erik mit den Achseln. Von drinnen hörten sie Musik. Frans musste das Grammophon lauter gedreht haben.
Hans zögerte. Dann sagte er: »Elsy ist schwanger.«
Erik erwiderte nichts. Er schob nur die Brille hoch, die wieder hinuntergerutscht war.
»Sie ist schwanger, und ich werde mich um eine Heiratserlaubnis bemühen. Aber vorher muss ich zu Hause einiges in Ordnung bringen, und falls … mir etwas passieren sollte … versprichst du mir, dass du dich um sie kümmerst?«
Erik sagte noch immer kein Wort. Gespannt wartete Hans auf seine Antwort. Er wollte nicht abreisen, ohne dass jemand, dem er vertraute, ihm das Versprechen gegeben hatte, für Elsy da zu sein.
Schließlich sagte Erik: »Natürlich stehe ich ihr zur Seite. Auch wenn ich es für ein Unglück halte, dass du ihr ein Kind gemacht hast. Aber was sollte dir schon zustoßen?« Er runzelte die Stirn. »In deiner Heimat wirst du sicher wie ein Held empfangen. Es kann dir doch niemand einen Vorwurf machen, weil du geflohen bist, als es zu gefährlich wurde.« Er sah Hans an.
Hans überging Eriks Bemerkung, stand auf und klopfte sich den Staub vom Hintern.
»Natürlich wird nichts passieren. Ich wollte nur für den Fall, dass mir doch etwas zustößt, mit dir reden. Und nun habe ich dein Wort.«
»Ja, ja.« Erik erhob sich ebenfalls. »Kommst du mit rein und verabschiedest dich noch von den anderen, bevor du abfährst? Mein Bruder ist auch zu Hause. Er ist gestern angekommen«, strahlte Erik.
»Da bin ich aber froh.« Hans drückte Eriks Schulter. »Wie geht es ihm? Ich hatte schon gehört, er sei auf dem Heimweg, habe aber Schlimmes durchgemacht.«
»Ja.« Eriks Gesicht verfinsterte sich. »Er hat viel durchgemacht, und er ist ziemlich entkräftet, aber er ist zu Hause.« Er lächelte wieder. »Komm rein und sag guten Tag, ihr habt euch doch noch nie gesehen.«
Hans nickte freundlich und folgte Erik wieder ins Haus.
I nden ersten Minuten war die Stimmung am Küchentisch etwas angespannt gewesen, doch dann ließ die Nervosität nach und sie konnten sich gelöst und fröhlich mit ihrem Bruder unterhalten. Anna wirkte noch immer ein wenig schockiert über die Neuigkeit, betrachtete Göran, der ihr gegenübersaß, jedoch fasziniert.
»Hast du nie
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