Engel aus Eis
Polizisten ihn vor dem Haus abgesetzt hatten, nahm er sich zusammen und erledigte ganz einfach die notwendigen Dinge. Nach einigen Tagen schloss er allmählich Frieden mit dem Geist von Erik, dessen Anwesenheit er noch immer spürte. Erik hatte ihm vergeben. Was er Britta angetan hatte, würde Erik ihm jedoch nie verzeihen. Er hatte zwar nicht selbst Hand an sie gelegt, doch die Konsequenzen seines Anrufs bei Frans hatte er einkalkuliert. Als er Frans mitteilte, dass Britta alles an die Öffentlichkeit bringen wollte, wusste er genau, was er tat. Sorgfältig wählte er seine Worte und Formulierungen und äußerte alles, was nötig war, um Frans als hochpräzise tödliche Waffe zu benutzen. Ihm war bewusst, dass Frans’ politischer Ehrgeiz und seine Sehnsucht nach Status und Macht die Führung übernehmen würden. Schon am Telefon war die wahnsinnige Wut zu hören, die immer Frans’ Antrieb gewesen war. Er trug also genauso viel Schuld am Tod von Britta wie Frans. Und das quälte ihn. Er konnte nicht vergessen, wie ihr Mann sie angesehen hatte. Er betrachtete sie mit einer Liebe, die er niemals auch nur annähernd kennengelernt hatte. Und diese Liebe und Gemeinschaft hatte er ihnen genommen.
Axel sah noch ein Flugzeug starten und in eine unbekannte Richtung fliegen. Er war am Ende seiner Reise angekommen. Nun konnte er nirgendwo mehr hin.
Als sich nach stundenlangem Warten endlich eine Hand auf seine Schulter legte und er seinen Namen hörte, atmete er auf.
Paula küsste Johanna auf die Wange und ihren Sohn auf den Mund. Sie konnte noch immer nicht fassen, dass sie alles verpasst hatte. Und Mellberg durfte dabei sein!
»Es tut mir so leid!« Sie wusste schon nicht mehr, zum wievielten Mal sie diesen Satz wiederholte.
Johanna lächelte müde. »Ich war zwar ziemlich sauer, als ich dich nicht erreichen konnte, das gebe ich zu, aber wenn du eingesperrt warst, konntest du ja nichts dafür. Ich bin froh, dass es dir gutgeht.«
»Das bin ich auch. Also, dass es dir gutgeht.« Paula gab ihr noch einen Kuss. »Er ist … wunderbar.« Wieder betrachtete sie den Jungen in Johannas Armen und konnte kaum glauben, dass er da war. Dass er wirklich endlich da war!
»Nimm ihn mal.« Johanna reichte ihr das Kind, und Paula setzte sich mit ihm neben das Bett und wiegte ihn in ihren Armen. »Wer konnte ahnen, dass Ritas Handy ausgerechnet heute den Geist aufgibt.«
»Mama ist am Boden zerstört.« Paula zwitscherte ihrem neugeborenen Sohn etwas vor. »Sie denkt, dass du nie wieder ein Wort mit ihr sprichst.«
»Ach was, das war doch nicht ihre Schuld. Und am Ende hat mir schließlich doch noch jemand geholfen«, lachte sie.
»Meine Güte, wer hätte das gedacht?« Paula hatte sich noch immer nicht von dem Schock erholt, dass ihr Chef bei der Geburt ihres Sohnes assistiert hatte. »Du solltest ihn da draußen im Wartezimmer hören! Er plustert sich vor meiner Mutter auf und schwärmt ihr was von dem kleinen Prachtkerl und der tapferen Gebärenden vor. Falls sie nicht ohnehin längst in ihn verliebt war, ist sie spätestens jetzt, nachdem er zur Geburt ihres Enkelsohns beigetragen hat, bis über beide Ohren in ihn verschossen. Manometer …« Paula schüttelte den Kopf.
»Eine Zeitlang sah es so aus, als wollte er sich jeden Augenblick aus dem Staub machen, aber er ist offensichtlich aus härterem Holz geschnitzt, als ich dachte.«
Als hätte er gehört, dass über ihn gesprochen wurde, klopfte es, und Bertil und Rita steckten die Köpfe ins Zimmer.
»Kommt rein«, winkte Johanna ihnen zu.
»Wir wollten mal gucken, wie es dir geht.« Rita ging zu ihrer Tochter und ihrem Enkelsohn.
»Klar, es ist ja auch schon eine halbe Stunde vergangen, seit ihr zuletzt hier wart«, neckte Johanna sie.
»Wir müssen doch wissen, ob er inzwischen gewachsen ist oder einen Bart bekommt.« Mellberg strahlte übers ganze Gesicht, während er sich mit sehnsüchtigem Blick dem Jungen näherte. Rita beobachtete ihn. Aus ihren Augen sprach eindeutig Verliebtheit.
»Darf ich ihn noch einmal auf den Arm nehmen?«, konnte sich Mellberg nicht verkneifen zu fragen.
Paula nickte. »Du hast es dir redlich verdient«, antwortete sie und reichte ihm das Kind.
Dann lehnte sie sich zurück und beobachtete, wie Mellberg das Kind und Rita ihn anblickte. Ihr war zwar mitunter der Gedanke gekommen, ihr Sohn könnte vielleicht auch ein männliches Vorbild im Leben brauchen, in dieser Rolle hätte sie sich aber niemals Bertil Mellberg vorgestellt. Als sie nun
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