Engel der Schuld Roman
wollte doch immer nur ein Cop sein.«
Er strich eine Träne von ihrer Wange. »Aber es ist nicht alles, was du hast, Megan. Du hast mich. Du wirst alle Hindernisse bewältigen. Und ich werde dasein und mich an deiner gesunden Hand festklammern.«
»Mann, o Mann, Holt«, flüsterte sie und lehnte sich vor, um ihn zu küssen. »Du solltest das für Hallmark aufschreiben.«
26
Die Musik war gar nicht schlecht – eine Mischung aus Blues und Rock, mit Texten von einem Englischabsolventen. Die Band war eine Campus-Gruppe, die sich die HarriSons nannte. Der Leadsänger war ein schlaksiger, grob knochiger Junge in zerrissenen Jeans und einem verschwitzten T-Shirt. Er umklammerte eine alte rote Stratocastergitarre und kniff unter dem Schild einer dreckigen Baseballkappe die Augen fest zu, während er seiner Seele die Musik entlockte.
Jay nahm einen tiefen Zug von seinem Drei-Dollar-Bier und ließ den Blick langsam durch den Raum schweifen. Wrights Anhänger hatten den Pla-Mor Ballroom gemietet, einen Tanz-schuppen, der gleich neben dem Campus lag. Das Pla-Mor hatte seine Glanzzeit in den Vierzigern gehabt und war seither um kein Haar verändert worden. Der Tanzboden war von Generationen schlurfender Füße stumpfgeschmirgelt. Die Beleuchtung war dürftig, zum einen, um die Stimmung anzuheizen, zum anderen, um zu kaschieren, daß der Putz in riesigen Fladen von der Decke fiel.
Das Lokal war wahrscheinlich billig, gut zu erreichen, und es erfüllte seinen Zweck. Es waren genug Stühle und Tische für 250 Leute da – alle besetzt. Das Lokal platzte aus allen Nähten. Es machte den Eindruck, als ob jeder in Deer Lake, der an Wrights Unschuld glaubte, sich verpflichtet gefühlt hatte, in die kalte Nacht hinauszustapfen und seine Unterstützung zu zeigen. Bei fünf Dollar Eintritt pro Nase, mit den hochgeschraubten Bier-preisen und den T-Shirts der Sci-Fi Cowboys, die fünfzehn Dollar kosteten, würden Wrights Anhänger heute abend wahrscheinlich genug einnehmen, um Anthony Costello einige Tage lang bezahlen zu können.
Der Anwalt saß am Ehrentisch, sein Klient neben ihm. Die beiden hielten Hof wie Monarchen. Wrights Frau und Costellos Lakaien füllten die restlichen Plätze. Im steten Strom druckten ihnen Studenten und vielleicht auch Fakultätsarbeiter ihre Freundschaft und ihre Bereitschaft zur Unterstützung aus. Wrights Gesicht war heiter und gelöst. Es drückte nicht die dumme Arroganz seines Anwalts aus, sondern eine gläserne Ruhe, als wisse er etwas, das die übrigen nicht wußten.
Ich will dahinterkommen, dachte Jay, aber er wußte, daß er abwarten mußte. Falls Costello dem guten Doktor erlaubte, vor der Anhörung überhaupt etwas zu sagen, dann wäre es nur schlichte Propaganda. Trotzdem sollte er die Gelegenheit wahrnehmen, sich ihm vorzustellen. Als die Band ihre Pause ankündigte, schob er sich aus der dunklen Ecke, die er sich als Beobachtungsposten ausgesucht hatte, und schlenderte zum Tisch.
Er entdeckte nicht weniger als drei Polizisten in Zivil. Ein Streifenwagen stand auf dem Parkplatz. Falls der Komplize mit Dustin Holloman im Schlepptau auftauchte, würden sie sich auf ihn stürzen wie Fliegen auf einen Kadaver. Aber wenn er hier erschien wie alle anderen, ganz unauffällig aussah und Dr. Wright nur lächelnd die Hand schüttelte – würde das irgend jemand bemerken?
Wright selbst war kein Mann, der aus einer Menge hervorstach, er hatte keine glühenden Augen, kein Teufelsmal war auf seiner Stirn eingebrannt. Das war es, was die Leute am meisten verängstigte und faszinierte – Monster, die sich unter ihnen bewegten, unerkannt, unverdächtig. Sie standen hinter ihnen in der Schlange vor dem Bankschalter, stießen versehentlich im Piggly Wiggly mit ihren Einkaufswagen zusammen. Genau dieser Faktor war es, der die Leser immer wieder zu seinen Werken zurückbrachte, das wußte Jay – das Bedürfnis, die Fälle zu durchleuchten, die Zeichen zu erkennen, die allen Beteiligten hätten auffallen müssen. Aber viel zu oft war da gar nichts zu sehen.
Costello entdeckte ihn, bevor er am Tisch angelangt war, und ein großes, hungriges Lächeln breitete sich über das Gesicht des Anwalts. Er stand auf und begrüßte ihn mit energischem Händedruck und Schulterklopfen, viel zu vertraulich, wie Jay fand. Er ertrug es mit einem gequälten Lächeln.
»Jay, freut mich, daß Sie es zu unserer kleinen Soiree geschafft haben!« sagte Costello, ganz der wohlwollende Gastgeber, obwohl er nichts mit der
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