Engel der Schuld Roman
jetzt hatte sich der Boden unter ihren Füßen bewegt – oder Costello hatte ihr wieder einmal den Teppich weggezogen. Unser gemeinsamer Freund, Mister Brooks . . . Die Welt ist klein, nicht wahr? Vor ihrem geistigen Auge verblaßte
sein Bild und wurde zu einem Bild von Jay, dunkle Augen verwandelten sich in durchsichtig blaue. Da ß du aus Minneapolis weggezogen bist, hatte also nichts mit dem Vergewaltigungsproze ß gegen Art Fitzpatrick zu tun? . . . Ich mache meine Hausaufgaben, Ellen . . .
Oder man hatte ihm die Information zugespielt.
Sie sagte sich, daß es keine Rolle spielen sollte. Sie war doch nicht so dumm, auch nur einem von beiden zu vertrauen. Sie war nicht so dumm, ihren Schutzschild sinken zu lassen.
Warum bist du dann gestern nacht ins Krankenhaus gegangen, Ellen?
Sie hob die Hand und strich mit den Fingern über ihre Lippen. Die Erinnerung an seinen Kuß regte sich warm und unruhig in ihr.
»Gehen wir an die Arbeit«, sagte sie. »Ich will reichlich Seil für diese Galgenschlinge.«
Sie machten es sich in ihren Stühlen bequem. Cameron holte ein Plätzchen aus der Schachtel und knabberte daran, während er sich die Beweisliste ansah.
»Also, abgesehen von der Verhaftung selbst – haben Sie irgendeine Ahnung, worauf Costello sich sonst noch stützen wird?«
»Nein«, gab Ellen zu. »Und er wird es bis zur allerletzten Minute geheimhalten, darauf können Sie wetten. Aber überlegen Sie. Welche Beweise, glauben Sie, wird er anfechten?«
»Die Handschuhe. Sie wurden erst Tage später gefunden. Er wird argumentieren, daß sie absichtlich dorthin gelegt wurden. Er wird behaupten, daß sie jedermann gehören könnten, daß wir keinen Beweis haben, daß sie Wright gehören.«
»Gute Argumente. Also bringen wir die Handschuhe bei der Anhörung nicht als Beweismaterial ein. Wir heben sie uns für den Prozeß auf. Bis dahin sollten wir beweisen können, daß sie tatsächlich ihm gehören. Wenn wir ganz großes Glück haben, ist bis dahin der Schnee weg, und wir finden die Pistole, die zu den Handschuhen gehört. Ist irgend etwas darüber aufgetaucht, daß Wright eine Handfeuerwaffe hat registrieren lassen?«
»Nada. Große Überraschung. Ich überprüfe Virginia, Pennsylvania, Ohio und Indiana, aber verrückte Serientäter neigen dazu, sich für so banale Formalitäten zu schade zu sein.«
Ellen mußte eingestehen, daß es sinnlos war. »Er wäre nie so unvorsichtig, eine aktenkundige Spur zu hinterlassen. Was sonst noch?«
Er zog die Schultern hoch. »Wir haben die Skimaske, das blutige Laken, Mitchs Aussage. Megans Aussage, Ruth Coopers Identifizierung bei der Gegenüberstellung . . .«
»Das war vor Costello.«
»Na und? Wright hatte einen Anwalt. Es ging strikt nach Vorschrift. Kein Problem. Wir haben einen ganzen Haufen mehr als Costello. Seine Zeugenliste besteht aus Childs, den wir auseinandernehmen können, dem Nachbarn, der Wrights Saab am Samstag gesehen hat, und Karen Wright. Was wird sie sagen? Alles, was man bis jetzt aus ihr herausgebracht hat, ist, daß die Verhaftung ihres Mannes ein einziges großes Mißverständnis war.«
»Gute Frage. Keiner hat je behauptet, sie sei eine Alibizeugin. Wenn Wright zu den Tatzeiten gearbeitet hat, wie er behauptet, was kann sie dazu sagen?«
» Da ß er sie angerufen hat! « sagten sie im Chor. Beide griffen sich erneut die Telefonlisten.
Die Tür schwang auf, und Ellen hob, in Erwartung, Phoebe zu sehen, den Kopf, aber zu ihrer Überraschung waren es Megan O'Malley und Mitch, der direkt hinter ihr stand.
»Megan«, sagte sie erfreut. »Es tut richtig gut, Sie wieder auf den Beinen zu sehen!«
»Und mehr oder weniger in einem Stück«, sagte Megan.
Sie sah schrecklich aus. Die Blutergüsse in ihrem Gesicht hatten ihr häßlichstes Stadium erreicht. Die Halbmonde unter ihren strahlenden grünen Augen waren auberginefarben. Sie humpelte herein, schwerfällig auf eine Krücke gestützt. Ihre rechte Hand steckte in einem starren Gipsverband, der sich bis zu den Fingerspitzen hinzog.
Cameron stand auf, um ihr einen Stuhl hinzustellen, aber sie winkte ab. Mitch warf ihr einen ungeduldigen Blick zu, den sie völlig ignorierte.
»Schon irgendwelche Bonbons gefunden?« fragte sie und überflog die Papiere, die über den Tisch verstreut waren.
Ellen schloß die Akte, erhob sich und versperrte ihr die Sicht. »Wir picken nur Krümel auf«, sagte sie locker. »Sie wissen schon, Telefonlisten und solche Sachen. Alles sehr trocken. Sind Sie
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