Engel der Schuld Roman
Minneapolis aus dem Flugzeug gestiegen war.
Ein uniformierter Deputy des Sheriffs machte den Weg frei für einen Mann, in dem er Rudy Stovich erkannte. Groß, grobknochig, mit einem Gesicht wie Mister Potato und krausem, drahtgrauem Haar, das mit einer größeren Menge einer fettigen Substanz an den Kopf geklebt war.
Stovich war in einem der vielen Fernsehberichte über den Fall aufgetreten. Er hatte mit grimmigem Blick in die Kamera gestarrt und hoch und heilig versprochen, die Bösewichter mit aller Macht des Gesetzes zu verfolgen. Es wäre interessant zu hören, was er jetzt zu sagen hatte, da der Bösewicht offensichtlich kein schmieriger Exsträfling aus einem anrüchigen Wohnviertel und vom unteren Ende der sozialen Leiter war, sondern ein Psychologieprofessor aus ihrem eigenen exklusiven College.
Garrett Wright war es, der die Story einmalig machte, zum großen Geschäft statt zum üblichen Klischee.
Stovich trat in die Halle, schnitt mit einer Handbewegung die gebrüllten Fragen ab, sein Gesicht drückte übertriebene Ungeduld aus. Eine Frau gesellte sich zu ihm. Kühl, gefaßt, blondes Haar wie poliertes Gold, ein Gesicht, das eher interessant war als beeindruckend. Ellen North, die Gerüchten zufolge ihr ehrgeiziges Auge auf das Amt des Bezirksstaatsanwalts geworfen hatte. Sie ging an den Reportern vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen, eine Königin, die die Anwesenheit der ungewaschenen Masse nicht registrierte. Sie hatte Klasse, war selbstsicher, ließ sich von der Aufmerksamkeit der Presse nicht aus dem Gleis bringen. Sehr interessant.
Kein Regisseur hätte die Szene perfekter inszenieren können. Gerade als Stovich und sein Hofstaat das Parterre erreichten, schwangen die Eingangstüren des Gerichts auf, und State Attorney General William Glendenning und sein Gefolge hatten ihren großen Auftritt. Sie kamen mit einem Schwall kalter Luft ins Gebäude und stampften den Schnee von ihren Schuhen, ihre Wangen und Nasen waren von der Kälte kirschrot poliert. Stovich und Glendenning schüttelten sich in einem Blitzlichtgewitter die Hände.
Glendenning ergriff als erster das Wort. Der erfahrene Politiker sah gut aus im Rampenlicht – solide, konservativ, vertrauenswürdig. Eine randlose Brille verlieh ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit Franklin Roosevelt, betonte Vertrauenswürdigkeit und aus der Mode gekommene Werte. Er sprach mit starker, zuversichtlicher Stimme. Platitüden und Versprechen von Gerechtigkeit. Versicherungen seines Vertrauens in das System und seines Vertrauens in Rudy Stovich und dessen Stab. Er klang beeindruckend, obwohl er eigentlich sehr wenig sagte: eine nützliche Gabe im Wahljahr.
Stovich folgte mit steinerner Miene und ernstem Gebaren, seine alte graue Brille saß schief, sein Anzug sah aus, als hätte er ihn aus dem Wäschekorb gezogen. Seine Krawatte war zu kurz. Er erzählte allen, er sei tief besorgt ob der Ereignisse, die seine Gemeinde aus den Angeln gehoben hätten. Er sei nur ein Anwalt vom Lande, der sich nie hätte träumen lassen, je mit einem derartigen Fall zu tun zu bekommen – und deshalb übertrage er der stellvertretenden Bezirksstaatsanwältin Ellen North den Fall. Sie habe die Erfahrung vor Gericht, die er verlange. Sie sei jung, gescheit und gnadenlos in ihrer Jagd nach Gerechtigkeit.
»Geschickter Zug, Rudy«, murmelte er und lehnte sich wieder an das Geländer. »Verdammt guter Zug, du alter Fuchs vom Land.«
Den Fall auf sie abzuladen war kalkulierte Schadensbegrenzung. Er zeigte sich als Mann, dem die Gerechtigkeit über alles ging, der einzugestehen bereit war, daß es jemanden gab, der besser geeignet war, ihr zu ihrem Lauf zu verhelfen – noch dazu eine Frau, was ihm Punkte bei der wachsenden Fraktion aufgeklärter junger Berufstätiger in seinem Wahlkreis einbrachte. Gleichzeitig distanzierte er sich selbst von der Anklage, wartete die Schläge der öffentlichen Kritik ab und wusch seine Hände in Unschuld. Wenn sie verlor, wäre es ganz allein ihre Schuld.
Ob Stovich seine Assistentin tatsächlich respektierte oder sie in Wahrheit den Wölfen vorwarf, gab Anlaß zu weiterführenden Spekulationen. Eines aber war völlig klar, als Ellen North vor die Presse trat: Sie fürchtete sich weder vor ihrer Aufgabe noch vor der Presse.
Ihre Erklärung war kurz und klar: Sie hatte vor, diesen Fall aggressiv anzugehen und den Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen. Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand, um die Antwort auf die wichtigste Frage
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