Engel der Verdammten (German Edition)
konnte, die der Blick der Vampirin über sie gelegt hatte. Sabine versuchte, die Augen zu öffnen, doch alles war verschwommen. Geräusche drangen an ihr Ohr, die sie noch nie gehört hatte. Sie blinzelte. Da war das offene Grab mit dem Sarg, aber wo war Aletta? Schatten huschten am Rand ihres Bewusstseins entlang, doch als sie sich umwandte, konnte sie nichts erkennen. Sie spürte, dass sie da war. Die Kälte, die sie sich zitternd zusammenkauern ließ. Sabine barg ihren Kopf unter ihren Armen und schloss die Augen. Irgendetwas jenseits ihres Verstandes ahnte, was auf dem nächtlichen Friedhof vor sich ging. Es war der letzte erbitterte Kampf. Ohne Gnade. Ohne Rettung. Sabine erbebte bis ins Innerste ihrer Seele, als sich ein Schrei erhob, den sie niemals wieder vergessen würde. Dann war es still. Totenstill.
Mühsam richtete sich Sabine auf. Da kam jemand zwischen den Büschen hervor. Sie spürte, dass es Peter war, noch ehe ihr Blick ihn erkennen konnte. In seinen Armen lag eine reglose Gestalt. Langsam kam er näher und blieb dann am Rand des Grabes stehen.
»Nun wird der Sarg nicht länger leer sein«, sagte er traurig.
Sabine konnte den Blick nicht von Aletta abwenden. Ihr Gesicht war noch immer blass und schön, doch nun lag wieder ein sanfter, friedlicher Ausdruck darin. Sabine konnte keine Verletzung sehen. Vielleicht hatte er ihr das Genick gebrochen.
»Ist sie tot?«, fragte sie leise.
»Tot ist sie schon lange, doch nun werde ich auch ihre nächtliche Existenz zerstören.«
Sabine konnte den tiefen Schmerz in seiner Stimme hören. »Sie würde wieder erwachen?«
»Ja, wenn ich sie einfach so in ihren Sarg betten würde, könnte sie sich regenerieren und am Abend wieder daraus erheben.«
Sabine fragte nicht, wie er das verhindern würde. Sie wollte es nicht wissen und noch weniger mochte sie es sehen. Als Peter von Borgo Alettas Körper ins Gras legte und sich vorbeugte, um den Sargdeckel zu öffnen, wandte sie sich ab und machte sich langsam auf den Weg zum Auto.
Sie war schon fast am Tor, als sie spürte, wie Peters Hand sich sanft um ihren Arm legte. »Komm, es ist vorbei. Ich bringe dich nach Hause.«
Sabine ersehnte nichts mehr als die Stille ihrer dunklen Wohnung und ein weiches Bett, um ihre schmerzenden Glieder auszustrecken. Schlaf und Vergessen waren alles, was sie brauchte, als sie den Schlüssel im Schloss drehte und die Tür zu ihrer Wohnung aufstieß. Sie wankte in den Flur und schob die Tür mit dem Fuß hinter sich zu.
Im Wohnzimmer brannte Licht. Hatte sie vergessen, es auszuschalten?
Sie spürte, wie sich alles in ihr verkrampfte. Sie war nicht allein in der Wohnung.
War der Albtraum noch nicht zu Ende?
Sie erwog kurz, hinauszulaufen und drüben bei Lars zu klingeln. Aber konnte der junge Mann ihr überhaupt helfen? So recht konnte sie sich ihn nicht als den Retter in der Not vorstellen. Und außerdem, welche Gefahr konnte ihr in ihrer eigenen Wohnung schon drohen? Aletta war vernichtet, ihr Körper begraben.
Aber wer konnte es sonst sein? Einer von Tariqs Männern?
Unwahrscheinlich. Trotzdem griff Sabine nach dem schweren Taschenschirm, der an der Garderobe hing, und umklammerte ihn wie einen Schlagstock. Vorsichtig schob sie sich weiter, bis sie um die Ecke ins Wohnzimmer sehen konnte.
Vor Erleichterung hätte sie beinahe gelacht. Da lag ihr Exmann Jens Thorne in ihrem abgewetzten Lieblingssessel, den Mund weit geöffnet, und schnarchte leise. Sabine ließ den Schirm sinken und trat näher.
Erschreckt fuhr er hoch und starrte seine geschiedene Frau an, als wäre sie eine Erscheinung. Dann schien ihm wieder einzufallen, wo er sich befand.
»Wie spät ist es? Wo hast du dich so lange rumgetrieben und wie siehst du überhaupt aus? Ist das Blut an deinem Pulli? Der ist ja ganz zerrissen.«
Sabine schielte zu ihrer Schulter, an der Aletta ihr die Kleider aufgerissen hatte. Blut war aus der Halswunde in den Kragen gelaufen und hatte bräunliche Flecken auf dem hellblauen Stoff hinterlassen.
»Blut? Ja, sieht so aus. Ich war im Einsatz. Da ging es ein wenig zur Sache«, sagte Sabine.
»Das sehe ich«, brummte Jens missmutig. »Und was willst du mit dem Schirm? Ihn mir auf den Kopf schlagen?«
»Woher sollte ich wissen, wer mitten in der Nacht in meine Wohnung eingebrochen ist?«, verteidigte sich Sabine und legte den Schirm beiseite.
»Ich bin nicht eingebrochen«, berichtigte er. »Ich habe einen Schlüssel.«
Sie war zu müde, um sich mit ihm zu streiten. Mit einem
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