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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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verschwommen und undeutlich wie auch die anderen herandrängenden Personen, nur die dichten, schön geschwungenen Augenbrauen und die schwere Mähne schwarzen, lockigen Haares fielen auf.
    »Das bist du«, sagte ich. »Asrael, das bist du dort auf dem Foto.«
    Er war unaufmerksam, antwortete nicht. Tippte nur mit dem Finger auf das Foto. »Sie starb dort. Esther, seine Tochter.«
    Ich erzählte ihm, dass ich sie gekannt hatte, zu einer Zeit, als die Sekte noch, von Widersprüchen geprägt, in den Kinder-schuhen steckte und noch nicht festgefügt und unermesslich groß und unermüdlich tätig war. Esther war eine gute Studen-tin gewesen, ernsthaft, bescheiden, lebhaften Geistes.
    Er sah mich lange an. »Sie war ein süßes, liebes Mädchen, nicht wahr?«
    »Ja, genau so. Ganz anders als ihr Stiefvater.«
    Er tippte auf die undeutliche Gestalt auf dem Foto, die ihn selbst darstellte. »Ja, der Geist, der Hüter der Gebeine«, sagte er. »So war ich in meinem Kummer also sichtbar. Ich werde nie erfahren, wer mich rief. Vielleicht hat ihr Tod das bewirkt, die dunkle, schreckliche Schönheit dieses Todes. Ich werde es nie wissen. Aber du siehst und fühlst doch auch, dass ich, der ich früher nur wie wabernder Nebel war, nun einen festen Körper habe. Gott hat mich in mein ursprüngliches Fleisch gekleidet; er macht es mir zusehends schwerer, mich in Luft, in Nichts aufzulösen und mich wieder zu einem Körper zusammenzufügen. Was soll nur aus mir werden, Jonathan? Da ich in dieser scheinbar menschlichen Gestalt stärker und stärker verankert bin, fürchte ich, ich kann gar nicht mehr sterben.
    Niemals.«
    »Asrael, du musst mir alles erzählen.«
    »Alles? Oh, Jonathan, nichts sehnlicher als das.«
    Asrael hatte mir meinen warmen Bademantel und meine ledernen Handschuhe herausgesucht, und schon bald war ich fähig, ohne Schwindelgefühle umherzugehen. Und nach einer weiteren Stunde spürte ich Hunger. Es ging wohl gegen Morgen, als ich einschlief, und als ich am späten Nachmittag erwachte, war ich wieder ganz der Alte, mit klarem Kopf und aufmerksam. Und das Haus war nicht nur ein vom Kaminfeuer durchwärmter, sicherer Hort, sondern auch heimelig, denn Asrael hatte ein paar dieser dicken Stumpenkerzen entzündet, sodass die Ecken des Raumes in einem dunstig weichen, un-aufdringlichen Licht schimmerten.
    »Ist es so richtig?«, fragte er sanft.
    Ich bat ihn, noch einige Kerzen aufzustellen und zusätzlich die Petroleumlampe auf meinem Schreibtisch anzuzünden. Er hatte keinerlei Schwierigkeiten damit. Streichhölzer und Feu-erzeug betrachtete er nicht als unerklärliche Wunder. Er drehte den Lampendocht hoch und stellte zwei weitere Kerzen auf die Marmorplatte des Nachttischchens. Der Raum mit seinen verschlossenen Fensterläden und Türen war in weiches, gleichmäßiges Licht getaucht. Der Wind heulte im Kamin.
    Wieder schoss ein Flockenwirbel herab und verdampfte in der Hitze des Feuers. Der Sturm hatte nachgelassen, aber es fiel immer noch Schnee. Der Winter schloss uns ein.
    Und niemand würde kommen, uns stören, niemand uns ablenken.
    Ich betrachtete Asrael mit lebhaftem Interesse. Ich war glücklich. Außergewöhnlich glücklich.
    Dann zeigte ich ihm, wie man Cowboy-Kaffee kocht, indem man einfach den gemahlenen Kaffee in den Wassertopf schüttet. Ich liebte den Duft dieses Kaffees so sehr, dass ich Unmengen davon trank. Obwohl Asrael kochen wollte, richtete ich selbst die Zutaten für ein kräftiges Mahl; dabei zeigte ich ihm die kleinen Päckchen und Tüten, deren Inhalt man nur noch in kochendes Wasser einrühren musste, um einen kräftigen, leckeren Eintopf zu bekommen.
    Er beobachtete mich beim Essen, sagte jedoch, er wolle selbst nichts.
    Ich drängte ihn, den Eintopf zu probieren. »Warum willst du nicht?«, fragte ich ihn.
    »Mein Körper würde ihn nicht vertragen, er ist nicht menschlich«, antwortete er. »Ich sagte es dir bereits.«
    Er stand auf und ging langsam zur Tür. Ich dachte schon, er würde sie öffnen und so den Sturm einlassen, und zog in Erwartung des eisigen Windes die Schultern hoch. Ihn zu bitten, die Tür geschlossen zu halten, zog ich nicht einmal in Erwä-
    gung. Wenn er den Schnee sehen wollte, würde ich ihm das, nach allem, was er für mich getan hatte, nicht verwehren.
    Doch stattdessen hob er die Arme, und trotz der verschlossenen Tür kam ein heftiger Wind auf. Asraels Gestalt verblasste, schien einen Moment lang wie ein Wirbel vermengter Farben und Texturen in der Luft zu

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