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Engel des Vergessens - Roman

Engel des Vergessens - Roman

Titel: Engel des Vergessens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallstein Verlag
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Pferdestall.
    Wir spazieren weiter zu den Fischteichen. Der Kiesweg überzieht Großmutters schwarze, vom Schuhmacher Perko angefertigte Schuhe mit einem Staubschleier. Sie trägt ihr Sonntagsgewand und hat ein Kopftuch im Nacken zusammengebunden. Die Ärmel der Bluse hat sie kokett hochgeschlagen, dass man ihre sehnigen Unterarme sehen kann. Beim großen Fischteich setzen wir uns auf den Holzsteg. Im dunkelgrünen, etwas trüben Wasser sehen wir Forellen und Schleien vorbeihuschen, beschattet vom moorigen Grund. Auf dem Weg zum zweiten Fischteich übersehen wir die Abzweigung und blicken uns vergeblich nach einem Pfad um. Großmutter ist verärgert. Wir müssen wieder zurück, sagt sie, als ob man sie beleidigt hätte. Als wir umkehren, fährt ein Holzarbeiter des Grafen mit einem Traktor in unsere Richtung. Er bleibt stehen und fragt, ob er uns mitnehmen solle, er müsse sowieso am Schloss vorbei. Wir steigen auf den Hydraulikheber und lassen uns stehend zum Schloss chauffieren. Ich habe Ihnen die Ausreißerinnen zurückgebracht, sagt der Holzarbeiter zur Tante, die aus dem Haus getreten war, um nachzusehen, wer gekommen sei. Vera bedankt sich und Großmutter ist wieder bester Laune. Hier scheinen mich alle zu kennen, sagt sie. Eine alte, hässliche Frau fällt eben auf!
    * * *

Das Verreisen kommt in Lepena in Mode. Die Nachbarn sind plötzlich vom Reisefieber befallen. Sie denken laut darüber nach, wohin sie immer schon fahren wollten oder was sie nach vielen Jahren wieder riskieren könnten. Am ausführlichsten werden die Ausflüge zu den Marienwallfahrtsorten Brezje und Monte Luschari sowie zu den Konzentrationslagern Mauthausen und Ravensbrück besprochen, wobei Brezje in Slowenien der beliebteste Ort zu sein scheint.
    Sveršina, der Mann von Tante Malka, kennt sich aus in Mauthausen. Er, Malka und meine Eltern fahren gemeinsam mit einer slowenischen Gruppe ins ehemalige Lager. Nach der Rückkehr erzählen sie, wie es in Mauthausen gewesen ist, wie viele Menschen sich bei der Gedenkfeier auf dem ehemaligen Lagergelände versammelt hatten. Das Lager sei jetzt ein Museum, sagt Vater. Sveršina habe ihnen den Block gezeigt, in dem er interniert gewesen war, und sei mit ihnen zum Steinbruch gegangen, wo so viele Häftlinge den Tod gefunden hatten. Mutter meint, dass sie nicht begreifen könne, wie ein Mensch das Konzentrationslager überstehen könne. Großmutter wirft ihr verständnislose und feindliche Blicke zu. Vater erzählt von einer Gruppe ehemaliger polnischer Häftlinge, die ein Haus in der Nähe des Lagers mit Blumen geschmückt hatten. Es habe ihn so gerührt, wie zwei Männer aus Polen den Hausbesitzer umarmten und sich für ihre Rettung bedankten, dass er weinen musste, und unversehens glitzern Tränen auf Vaters Wangen. Ich sehe ihn zum ersten Mal weinen und fühle mich ratlos und verwirrt.
    Großmutter beschließt, in diesem Jahr nach Ravensbrück zu fahren. Es heißt, die Reise werde ein paar Tage dauern. Als sie zurückkehrt und wieder neben mir im Bett liegt, bin ich erleichtert. Sie sagt, der Ausflug sei sehr anstrengend gewesen. Aus ganz Europa seien Frauen ins Lager gekommen. Die Rednerinnen haben ihr gefallen, sie habe nicht alles verstanden, aber der Tonfall, in dem sie gesprochen hatten, habe ihr behagt. Sie erzählt, dass sich ehemalige Häftlinge auf dem Gelände des Lagers versammelt hätten. Viele Frauen seien am Ufer eines Sees gestanden und hätten geweint. Sie haben Blumen in den See geworfen und sich gegenseitig gestützt. Sie sei von zwei Französinnen umarmt worden und von holländischen Frauen, die hinter ihr standen und den Rednerinnen zuhörten. Sie erwähnt zwei Namen, die sie von nun an immer nennen wird, Mici und Katrca, die Namen ihrer Ziehtochter und ihrer Schwägerin, die im Lager ums Leben gekommen sind. Sie musste immer an Mici und an Katrca denken, sagt Großmutter. Sie habe zwei Bücher mitgebracht. Bücher, in denen man lesen könne, was im Lager geschehen war. Die werde sie mir zeigen, mir und meiner ungläubigen Mutter, wenn sie sie gelesen habe, wenn es so weit sein wird.
    Wenig später spricht sich zu uns durch, dass sich Smrtnik aus Ebriach einen Kombiwagen angeschafft habe, mit dem er acht Fahrgäste transportieren könne. Viele seien mit Smrtnik schon herumgekommen, heißt es. Großmutter wartet nicht lange und organisiert einen Ausflug nach Brezje. Sie bestimmt, dass ich mitfahren müsse, weil es für mich an der Zeit sei, mit ihr zu wallfahrten.
    Früh am

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