Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
seinem Rollstuhl. Hingerissen beobachtete ich die Szene, hatte nicht die leiseste Ahnung, was als Nächstes folgen würde. Plötzlich stupste eine Engelshand einen Grashalm an und ein Gänseblümchen schoss daraus hervor. Die anderen Engel taten es nach, sie bewegten die Hände durch das Gras, und überall dort, wo ihre Fingerspitzen Grashalme berührt hatten, erblühten entzückende Gänseblümchen. So entstand mitten auf der Wiese ein großer Kreis aus lauter Gänseblümchen, in seiner Mitte lachende Engel und eine leuchtende kleine Seele. Die Mutter des Kindes, weiter in ihr Gespräch vertieft, bemerkte nichts von alledem.
»Blumenketten«, rief die Seele des kleinen Mädchens, und alle Engel flochten welche, um die Kleine damit zu schmücken: Sie trug sie um den Hals, als Diadem auf dem Kopf wie eine Prinzessin, als Armbänder und Fußkettchen. Und dann brachten sie ihr bei, wie man die Blütenstiele mit dem Fingernagel anschlitzt und jeweils den nächsten Stiel hindurchsteckt. Im nächsten Moment saß das Kind im Gras und machte seine eigenen Gänseblümchenketten. Über allem lagen eine solche Sanftmut und Liebe, dass mir selbst vor lauter Glück und Freude an diesem Schauspiel die Tränen über die Wangen kullerten. Voller Bewunderung für die Blumenketten beobachtete ich das Mädchen. Sein Gesicht strahlte wie eine kleine Sonne.
Dann legten die Engel ihre Arme um das Kind, hoben es hoch und trugen es zurück zu seinem Rollstuhl. Die Kleine schien nichts dagegen zu haben. Ihre Seele legte sich behutsam nieder und schlüpfte wieder in den Menschenkörper, der die ganze Zeit über ruhig schlafend dagelegen hatte.
Und so schnell sie gekommen waren, verschwanden die Engel auch wieder und mit ihnen das Licht. Das kleine Mädchen bewegte sich in seinem Rollstuhl. Und ich fiel beinahe über meine eigenen Füße, als sie »losgelassen« wurden und ich mich wieder rühren konnte. Alles
um mich herum erwachte zu neuem Leben. Ich hörte die Vögel zwitschern, spürte den leichten Wind und nahm die Menschen wahr. Während ich mich von dem Kind im Rollstuhl entfernte, warf ich einen Blick auf seine Mutter und dachte bei mir, welch ein Segen es für ihre Familie doch sein musste, eine so reine Seele in ihrer Mitte zu haben.
KAPITEL 27
Joe
Gegen Ende seines Lebens wusste Joe kaum noch, wer er selbst war oder wo er sich befand. Auch mich und seine Kinder erkannte er oft nicht mehr. Glücklicherweise schienen die Kinder das nicht zu bemerken. Ich saß sehr viel an seinem Bett und erzählte ihm allerhand, versuchte, seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Mein sehnlicher Wunsch war, er möge auch geistig so lange wie möglich bei uns bleiben.
Beinahe jeden Morgen lief ich ins Städtchen, denn wir brauchten eigentlich immer irgendetwas, um bei meiner Rückkehr als Erstes einen verstohlenen Blick ins Schlafzimmer zu werfen, ob mit Joe auch wirklich alles in Ordnung war. Dann kochte ich uns beiden Tee und setzte mich auf den kleinen Hocker neben Joes Bett, um mich mit ihm zu unterhalten.
Eines Vormittags, ich saß wieder bei Joe und war im Gespräch mit ihm, als er sagte: »Lorna, schon den ganzen Morgen, seit du einkaufen gegangen bist, liege ich hier in diesem Bett und versuche krampfhaft, mich an vergangene Dinge zu erinnern, an Ereignisse aus unserem Leben und dem der Kinder. Und manchmal erschreckt es mich, dass mir nicht einmal mehr klar ist, wo ich bin.«
Wie immer war auch an diesem Tag eine Schar Engel um uns herum, sie hatten auf Joes Bett Platz genommen, doch mit einem Mal waren alle verschwunden – mit Ausnahme von Joes Schutzengel. Er war als Einziger geblieben, und es schien, als trüge er Joe, als wäre das Bett, in dem Joe lag, gar nicht vorhanden. Joe war ein bisschen durcheinander. »Nimm meine Hand«, sagte ich zu ihm, »ich werde dir helfen, dich zurückzubesinnen.«
Sein Schutzengel stützte Joe von hinten, dann hob er eine Hand über seinen Kopf und goss das Licht der Erinnerung über ihm aus. Dieses Licht, eine weiße Substanz, die in ihrer Konsistenz Schlagsahne mit glitzernden Silbersprenkeln ähnelte, schien aus der Hand des Engels in Joes Scheitelpunkt einzudringen. Und solange wir miteinander sprachen, floss das Licht ununterbrochen weiter.
Wir vertieften uns in Reminiszenzen und ich war hell begeistert, an wie viele Begebenheiten Joe sich erinnerte, während wir so beieinander saßen. Er erzählte von Owens Heiliger Erstkommunion und wie Owen damals sein Kommuniongeld für ein Paar
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