Engel küssen besser
nicht angerufen, um ihm zu sagen, dass sie jetzt doch eine Nanny vorbeischicke. Egal – das würde an der Situation auch nichts ändern. Gloria war einfach untragbar. Sam wusste so wenig von ihr, dass er ihr keine weitere Minute in seinem Haus gestatten konnte.
Als er im Schlafzimmer ankam, stand sein Entschluss fest. Er würde sie auf unmissverständliche Art bitten zu gehen. Standhaft und unnachgiebig wollte er sein – egal wie einschmeichelnd sie ihn auch anlächelte.
“Natürlich kommen Sie mit.” Die Worte hallten in der Stille seines Arbeitszimmers nach. Sam wusste, dass es seine Stimme war, er konnte die Wärme dieser Worte auf den Lippen spüren, obwohl er um alles in der Welt diese Einladung nicht hatte aussprechen wollen. Im Gegenteil. Er schüttelte den Kopf. “Ich kann nicht glauben, dass ich das gesagt habe.”
Gloria lächelte ihn an. “Oh, daran werden Sie sich gewöhnen. Eigentlich darf ich Ihnen keine Worte in den Mund legen, aber für den Anfang habe ich etwas mehr Handlungsfreiheit bekommen, als es eigentlich üblich ist.” Sie bewegte sich in ihrem Sessel, und der Rock ihres vorne geknöpften blauen Sommerkleids gab den Blick auf zwei wohlgeformte Beine frei.
Sam war sich auf unangenehme Weise bewusst, dass er seinen Platz auf der Schreibtischkante verlassen sollte, bevor seine Wade ihr Fußgelenk berührte. Er bewegte sich jedoch keinen Millimeter und war sich nicht sicher, ob das nun an ihm oder an ihr lag. “Schauen Sie”, fing er an, “ich weiß nicht, wie Sie das mit Ihrer ‘…Hexerei’ machen, aber bei mir funktioniert das nicht mehr. Ich brauche eine neue Nanny für Allie, das ist richtig, aber das werden nicht Sie sein, denn ehrlich gesagt eignen Sie sich nicht für diese Stelle.”
“Ich kann mich ändern.” Sie schwenkte ihren Hut hin und her, wobei sich die blauen Bänder um ihre Finger wickelten. “Ich sollte wahrscheinlich etwas Passenderes anziehen, wenn wir in Ihr Büro gehen.”
“Nein, nein, nein.” Sam lehnte sich zu ihr hinüber. “Ich habe nicht Ihre Kleidung gemeint.”
“Das hatte ich aber befürchtet”, seufzte sie. “Der Hut ist zu viel, oder? Ich hätte etwas Konservativeres anziehen sollen.”
Sam hatte eigentlich vorgehabt, ihre erste Begegnung auf der Veranda nicht mehr zu erwähnen, aber dieses Feingefühl konnte er sich jetzt nicht leisten, wenn er seinen Standpunkt klarmachen wollte. “Sie könnten die Ordenstracht einer Nonne tragen, und ich würde Sie nicht einstellen. Denn …” Er suchte nach Worten, um nicht zu direkt zu werden. “Denn der erste Eindruck bleibt haften, und gestern Abend haben Sie weiß Gott keinen guten Eindruck gemacht.”
Der Hut hörte auf zu schaukeln. “Denken Sie immer noch daran?”
“Nun … ich kann die Tatsache nicht übergehen, dass Sie völlig unbekleidet vor meiner Hintertür aufgetaucht sind.”
“Ich dachte, Sie haben nicht meine Kleidung gemeint.”
“Jetzt rede ich davon, dass Sie gestern Abend gar keine anhatten.”
“Aber ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich sie vergessen hatte.”
“Man kann nicht
vergessen
sich anzuziehen.”
“Engel können das durchaus”, sagte sie gereizt. “Ich verstehe nicht, wie Sie sich immer noch daran erinnern können, wo ich Sie doch extra gebeten hatte, es nicht mehr zu tun.”
“Gloria, Ich habe Sie
nackt
gesehen. So etwas kann ein zukünftiger Arbeitgeber nicht vergessen.”
Sie legte die Stirn in Falten. “Wollen Sie damit sagen, dass mit meinem Körper etwas nicht stimmt?”
“Nein!
Zum Kuckuck, nein
. “Ich sage nur, dass ich Sie so nicht hätte sehen dürfen.”
Sie verdrehte die Augen. “Entweder wollen Sie mich durcheinanderbringen, oder ich habe im Biologieunterricht nicht gut genug aufgepasst. Ich dachte immer, der menschliche Körper wird als etwas Schönes angesehen.”
“Das wird er auch. Ich meine … in der Kunst und … äh in anderen … Situationen.”
“Beim Sex, meinen Sie.”
Sam fuhr mit dem Finger zwischen Hemdkragen und Hals entlang. “Das wäre eine dieser Situationen, ja. Wir reden aber jetzt nicht darüber, wann Kleidung angebracht ist und wann nicht. Wie reden vielmehr über Ihr völlig unpassendes Verhalten als Nanny.”
“Dann, nehme ich an, werde ich also nicht Allies neues Kindermädchen sein.”
Endlich. Sam atmete vor Erleichterung tief durch, stand auf und reichte Gloria die Hand, um diese seltsame Begegnung mit einem Handschlag ein für alle Mal zu beenden.
Sie schaute auf seine Hand und hängte
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