Engelsbann: Dunkle Verlockung Teil 2 (German Edition)
einer anderen Frau versunken, einer kurvenreichen Schönheit mit langem, glattem Haar, das ihr bis zur Taille reichte, und dem unschuldigsten Gesicht, das Noel je gesehen hatte. »Wer ist das?«, fragte er, da er sich denken konnte, welche Rolle Fen an Nimras Hof spielte.
Das Gesicht des alten Mannes wurde weicher und nahm einen Ausdruck äußerster Zärtlichkeit an. »Meine Tochter, Amariyah.« Er lächelte sie an, als sie sich umdrehte, um ihm zuzuwinken, dann seufzte er. »Sie wurde mit siebenundzwanzig geschaffen. Es tut meinem Herzen gut, zu wissen, dass sie noch lange weiterleben wird, wenn ich nicht mehr da bin.«
Der Vampirismus verwandelte Menschen in Beinahe-Unsterbliche, doch ihr Leben war wahrlich kein leichtes, besonders nicht in den ersten hundert Jahren nach ihrer Erschaffung, während derer ein Vampir im Dienste eines Engels stand. Den Jahrhundertvertrag verlangten die Engel als Preis für die Gabe, die übliche Lebensspanne eines Sterblichen um ein Vielfaches zu verlängern. »Wie viel von ihrem Vertrag muss sie noch ableisten?«
»Nichts«, erwiderte Fen zu Noels Überraschung.
»Wenn du sie nicht schon vor deiner eigenen Geburt bekommen hast«, sagte Noel, während er fortfuhr, Amariyah und Christian zu beobachten, »ist das unmöglich.«
»So effizient bin selbst ich nicht.« Fen stieß ein röchelndes Lachen hervor. »Ich stehe in Nimras Diensten, seit ich ein Bursche von etwa zwanzig Jahren war. Ein Jahr später wurde Amariyah geboren. Ich habe meiner Herrin fünfundsechzig Jahre lang gedient – diese Zeit wurde auf den Vertrag meiner Tochter angerechnet.«
Noel hatte noch nie von einem solchen Zugeständnis gehört. Dass die Engelsfrau, die über New Orleans und seine Umgebung herrschte, so etwas getan hatte, sagte eine Menge darüber aus, was Fen ihr bedeutete, aber auch über ihre Fähigkeit zu Loyalität und Treue. Von einem Engel, der weit und breit für die Härte seiner Strafen bekannt war, hatte er einen solchen Zug nicht erwartet. »Deine Tochter ist sehr schön«, sagte er, doch seine Gedanken weilten bei einer anderen Frau – bei einer Frau, deren Flügel sich vorhin für einen flüchtigen Augenblick so warm und schwer an ihn geschmiegt hatten.
Fen seufzte. »Ja. Zu schön. Und sie hat ein zu weiches Herz. Ich hätte ihrer Verwandlung nicht zugestimmt, wenn Nimra nicht geschworen hätte, sich um sie zu kümmern.«
In diesem Moment unterbrach Amariyah ihr Gespräch und kam zu ihnen herüber. »Papa«, sagte sie, und im Unterschied zu ihrem Vater schwang in ihren Worten nicht der Nachhall eines anderen Kontinents mit, sondern der tiefe, matte Ton der Cajuns, »du hast dein Frühstück heute morgen nicht einmal angerührt. Glaubst du, du kannst deine Amariyah für dumm verkaufen?«
»Ach, mein Mädchen. Du beschämst mich vor meinem neuen Freund.«
Amariyah streckte die Hand aus. »Guten Morgen, Noel. Du bist an diesem Hof so ziemlich das Hauptgesprächsthema.«
Während er ihr die Hand schüttelte, deren Haut um einige Nuancen heller als die ihres Vaters war, bemühte sich Noel um ein ungezwungenes Lächeln. »Nur Gutes, hoffe ich.«
Fens Tochter schüttelte den Kopf. Die Grübchen in ihren Wangen ließen sie nur noch unschuldiger wirken. »Ich fürchte nicht. Christian ist, wie meine Großmutter sagen würde, ›äußerst verärgert‹. Entschuldige mich für einen Augenblick.« Sie eilte zum Buffet hinüber, füllte einen Teller und kehrte damit zurück. »Du wirst etwas essen, Papa, sonst sage ich es Lady Nimra.«
Fen grummelte etwas, doch Noel konnte sehen, dass er sich über die Aufmerksamkeit freute. Noel stand auf und deutete auf seinen Stuhl. »Ich denke, dein Vater wird deine Gesellschaft der meinigen vorziehen.«
Wieder zeigte Amariyah ihre Grübchen. »Vielen Dank, Noel. Wenn du am Hof irgendetwas brauchst, lass es mich wissen.« Sie begleitete ihn noch ein paar Schritte und lächelte erneut – und diesmal lag nichts Argloses mehr darin. »Mein Vater sieht mich gern als unschuldiges Mädchen«, raunte sie ihm mit leiser Stimme zu, »und deshalb bin ich das für ihn auch. Aber ich bin eine erwachsene Frau.« Mit dieser nicht gerade subtilen Botschaft verschwand sie.
Stirnrunzelnd wandte sich Noel um und wollte das Audienzzimmer verlassen, dabei wich er einem jungen Dienstmädchen aus, das mit einer frischen Kanne Kaffee hereinkam. Andererseits … Er machte kehrt und ging zu einem kleinen Beistelltisch, wo er sich eine Tasse nahm. »Dürfte ich um eine Tasse
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