Engelsbann: Dunkle Verlockung Teil 2 (German Edition)
Nimra.«
»Aber der strahlende Stern an deinem Himmel bin ich auch nicht.« Sie strich mit den Fingerspitzen über die Schwingen seines rechten Flügels. Es war eine vertrauliche Zärtlichkeit, wenn auch keine intime. »Geh nach Hause, Augustus. Deine Frauen werden sich nach dir verzehren.«
Murrend warf er Noel einen finsteren Blick zu. »Wenn du ihr wehtust, werde ich dafür sorgen, dass dein ganzer Körper nur noch aus Schmerzen besteht.« Mit diesen Worten verschwand er.
Noel starrte dem Engel nach, bis er außer Sichtweite war. »Wer ist Eitriel?«
Nimras Augen glitzerten vor Wut, als sie ihn anblickte. »Das geht dich nichts an.« Mit Wucht knallte sie die Tür der Bibliothek zu, ein Ausdruck heftigen Zorns. »Du bist nur zu einem Zweck hier.«
Sehr sorgfältige Wortwahl, dachte Noel und folgte ihr mit dem Blick, als sie zu den Schiebetüren zum Garten hinüberging und diese aufschob. Jeder, der sie hörte, würde zu einem offenkundigen Schluss gelangen.
»Wie ich bereits sagte, Noel«, fuhr Nimra fort. »Pass auf, dass du nicht zu weit gehst. Ich bin keine Jungfrau, die du beschützen musst.«
Er folgte ihr in den Garten, schwieg jedoch, bis sie ans Ufer des Flusses gelangten, dessen kaltes, klares Wasser durch ihre Ländereien floss. »Nein«, räumte er ein, weil er wusste, dass er eine Grenze überschritten hatte. Und doch brachte er keine Entschuldigung über die Lippen – weil ihm sein Eingreifen nicht leidtat. »Du hast einen interessanten Hof«, sagte er stattdessen, als er sicher war, dass sie allein waren. Der schwere Duft von Heckenkirschen lag in der Luft, obwohl diese Sträucher nirgends zu sehen waren.
»Habe ich das?« In ihrem Tonfall lag noch immer der eisige Hauch der Macht, als Nimra auf derselben schmiedeeisernen Bank Platz nahm, auf der er an diesem Morgen schon gesessen hatte. Sie hatte die Flügel hinter sich ausgebreitet, und die topasfarbenen Fasern glitzerten im Sonnenlicht.
»Fen ist dein Auge und dein Ohr, und das schon seit langer Zeit«, sagte er. »Und Amariyah wurde nur deshalb verwandelt, weil es sein Herz tröstet, zu wissen, dass sie weiterleben wird, wenn er nicht mehr da ist.«
Nimras Antwort hatte nichts mit seinen Schlussfolgerungen zu tun. »Noel. Du musst eines verstehen. Ich darf niemals schwach erscheinen.«
»Verstanden.« Schwäche könnte ihren Tod bedeuten. »Aber es ist keine Schwäche, einen Wolf an seiner Seite zu haben.«
»Solange dieser Wolf nicht versucht, die Zügel an sich zu reißen.«
»Dieser Wolf hat keine derartigen Ambitionen.« Er ging in die Hocke und drehte einen vom Fluss geglätteten Kieselstein immer wieder zwischen den Fingern, als er das Thema Fen und Amariyah wieder aufnahm. »Bist du zu allen Mitgliedern deines Hofes so gütig?«
»Fen hat mehr verdient, als er jemals von mir erbeten hat«, sagte Nimra, während sie sich fragte, ob Noel tatsächlich ihr Wolf sein könnte, ohne nach der Macht zu greifen. »Ich werde ihn schrecklich vermissen, wenn er nicht mehr da ist.« Sie bemerkte, dass sie Noel mit diesem Geständnis überrascht hatte. Engel, insbesondere jene, die alt und mächtig genug waren, um über ein eigenes Territorium zu herrschen, waren in der Regel keine emotionalen, herzlichen Wesen.
»Wen wirst du vermissen, wenn er oder sie nicht mehr da ist?«, fragte sie, äußerst neugierig darauf, was sich hinter dem harten Schutzschild seiner Persönlichkeit verbarg. »Hast du menschliche Bekannte und Freunde?« Sie rechnete nicht damit, dass er antworten würde, daher musste sie ihre Überraschung verbergen, als er es doch tat. Eine Kunst, die sie nur dank jahrzehntelanger Übung beherrschte – wenigstens etwas, das ihr von Eitriel geblieben war.
»Ich kam in einem Moor in England zur Welt«, sagte er. Seine Stimme veränderte sich und nahm den leisen Hauch eines Akzents aus längst vergangenen Zeiten an.
Es faszinierte sie. »Wann wurdest du verwandelt?«, fragte sie. »Du warst schon älter.« Vampire alterten zwar, jedoch so langsam, dass die Veränderungen unmerklich waren. Die Zeichen der Reife in Noels Gesicht stammten aus seiner Zeit als Mensch.
»Zweiunddreißig«, sagte er, den Blick auf eine dicke Hummel gerichtet, die an ihnen vorbeisummte und zu einem mit Früchten beladenen Ackerbeerenstrauch zur Rechten Nimras flog. »Ich hatte geglaubt, ein anderes Leben vor mir zu haben, doch als sich herausstellte, dass mir dieser Weg verwehrt war, dachte ich, ach was soll’s, ich kann mich genauso gut als
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