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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Eltern hatten ihr nicht mehr in die Augen schauen können, nachdem sie die Fotos gesehen hatten. Es war für Luce schier unerträglich, jetzt Arriane anzublicken.
    Arriane griff nach Luces Hand und presste sie auf die Narbe. Die Haut war heiß und kalt, glatt und rau.
    »Ich fürchte mich nicht davor«, sagte Arriane. »Und du?«
    »Nein«, sagte Luce. Aber in Wahrheit wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass Arriane ihre Hand wegnehmen würde, damit sie ihre Hand auch schnell wegziehen konnte. Ihr war ganz flau im Magen bei dem Gedanken, als sie sich fragte, ob sich Trevors Haut wohl auch so angefühlt hätte.
    »Fürchtest du dich vor dir selbst, Luce? Davor, wer du wirklich bist?«
    »Nein«, sagte Luce erneut hastig. Es musste für Arriane so was von klar sein, dass sie log. Sie schloss die Augen. Alles was sie sich von der Sword & Cross wünschte, war die Möglichkeit zu einem Neuanfang, sie wollte einen Ort, an dem die Menschen sie nicht so ansahen, wie Arriane es jetzt gerade tat. Am Schultor heute Morgen, als ihr Vater ihr schnell noch das Familienmotto ihrer Großmutter ins Ohr geflüstert hatte - »Eine mit so viel Kraft wie wir gibt nie auf« -, hatte es sich noch so angefühlt, als könnte es möglich sein. Aber inzwischen kam sie sich nur noch schutzlos und ausgeliefert vor. Sie zog die Hand weg. »Wie ist das passiert?«, fragte sie und schaute auf den Boden.
    »Als du vorhin auf meine Frage keinen Pieps geantwortet hast, habe ich dich da bedrängt?«, fragte Arriane.
    Luce schüttelte den Kopf.

    Arriane deutete auf das Schweizer Armeemesser. »Und jetzt mach weiter, okay? Ich will richtig hübsch aussehen. Ich will so aussehen wie du.«
    Aber auch mit identischem Haarschnitt hätte Arriane immer noch wie eine stark unterernährte Version von Luce gewirkt. Während Luce sich bemühte, dem ersten Haarschnitt, den sie je einer anderen Person verpasst hatte, eine halbwegs ansehnliche Form zu geben, fuhr Arriane mit ihrer privaten Einführung in das Leben an der Sword & Cross fort.
    »Der Zellenblock da drüben, das ist Augustine. Da finden am Mittwochabend immer unsere sogenannten Veranstaltungen statt. Und unser gesamter Unterricht auch.« Sie deutete auf ein Gebäude in der Farbe gelblicher Zähne, das dritte Gebäude von links. Bestimmt war es von demselben Sadisten entworfen worden, der auch für Pauline verantwortlich war.
    »Kleine Warnung«, sagte Arriane. »Du wirst den Unterricht hier hassen. Du wärst kein Mensch, wenn du es nicht tätest.«
    »Warum? Was ist so schlimm daran?«, fragte Luce. Vielleicht mochte Arriane Schule ja grundsätzlich nicht. Mit den schwarz lackierten Fingernägeln, dem dicken schwarzen Lidstrich und der schwarzen Tasche, in die gerade mal ihr neues Schweizer Armeemesser zu passen schien, wirkte sie nicht wie jemand, der Spaß am Lernen hatte.
    »Der Unterricht ist total seelenlos«, sagte Arriane. »Und viel schlimmer, sie rauben dir auch noch deine eigene Seele. Von den achtzig Schülern hier gibt es vielleicht noch drei mit einer Seele.« Sie blickte auf. »Aber das bleibt unter uns …«
    Klang alles nicht besonders vielversprechend. Aber Luce hatte bei etwas anderem aufgehorcht. »Wie? In der ganzen
Schule gibt es nur achtzig Schüler?« Bevor sie nach Dover gegangen war, hatte Luce das dicke Handbuch für künftige Schüler genau studiert, sie erinnerte sich noch an die vielen Statistiken. Mit nichts von dem, was sie bisher über die Sword & Cross erfahren hatte, hatte sie gerechnet, und sie merkte, dass sie völlig unvorbereitet gekommen war.
    Arriane nickte, was dazu führte, dass Luce aus Versehen eine spitze Ecke in ihre Haare schnitt. Huch! Hoffentlich bemerkte sie es nicht oder wenn - vielleicht fand sie es ja besonders cool.
    »Acht Jahrgänge, jeder Jahrgang zehn Jugendliche. Da kriegt man ziemlich schnell mit, was für einen Scheiß alle so draufhaben«, sagte Arriane. »Und die anderen über einen selbst natürlich auch.«
    »Klar, kann ich mir denken«, meinte Luce und kaute nervös auf ihrer Lippe herum. Arriane hatte das witzig gemeint, doch Luce fragte sich, ob sie immer noch mit diesem lässigen Grinsen im Gesicht dasitzen würde, wenn sie Luces Geschichte kannte. Je länger Luce einen Mantel des Schweigens über ihre Vergangenheit breiten konnte, desto besser.
    »Und wenn ich dir eins raten darf: Halte dich von den wirklich harten Fällen fern.«
    »Die wirklich harten Fälle?«
    »Die Jugendlichen mit den elektronischen Fesseln am

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