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Engelsrache: Thriller

Engelsrache: Thriller

Titel: Engelsrache: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Pratt , Christian Quatmann
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nächtlichen Träumen war ich regelmäßig auf einem roh zusammengezimmerten Floß ohne Ruder unterwegs, das mitten in einem reißenden Strom einem mächtigen Wasserfall entgegentrieb. Doch konnte ich weder das Ufer erreichen noch irgendetwas gegen die Strömung ausrichten. Erst wenn das Floß in den Abgrund stürzte, wachte ich auf.
    Ich drehte den Verschluss wieder auf die Flasche und holte tief Luft. Na, dann wollen wir mal. Ich stieg aus dem Wagen, ging die Stufen zum Gericht hinauf und dann durch die Vorhalle, bis ich die Sicherheitsschleuse erreichte.
    Der Beamte, der dort Dienst tat, ein gewisser Sergeant John Allen Hurley, auch »Sarge« genannt, war ein barscher, aber gutmütiger alter Trottel, mit dem ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit freundschaftlich Beleidigungen austauschte. Sarge war bei der örtlichen Polizei für seinen Mut und sein Draufgängertum berühmt. So wurde etwa erzählt, dass er einmal ganz allein einen berüchtigten, schwer bewaffneten Räuber namens Dewey Davis festgenommen hatte, der einen Gemüseladen am Stadtrand von Jonesborough überfallen hatte. Sarge war damals noch beträchtlich jünger gewesen. Jedenfalls hatte er den Notruf entgegengenommen und war augenblicklich zum Tatort gefahren. Als er vor dem Geschäft eintraf, kam Dewey gerade mit der Waffe in der Hand aus dem Laden. Ohne auch nur einen Gedanken auf die Waffe des Räubers zu verschwenden, war Sarge aus dem Streifenwagen gesprungen, hatte Dewey draußen auf dem Parkplatz über den Haufen gerannt, ihn mit einem Hieb bewusstlos geschlagen und ihn anschließend in den Knast geschleppt.
    Inzwischen war Sarge Anfang siebzig, ein großer schlanker Mann, an dem die Jahre nicht spurlos vorübergegangen waren. Deshalb erinnerte er mittlerweile immer mehr an eine vom Wind gebeugte alte Pappel. Seine riesigen Hände waren mit zahllosen Altersflecken bedeckt, und seine Oberlippe hatte sich so weit zurückgebildet, dass es aussah, als ob er ständig die Zähne bleckte. Er trug einen Pistolengürtel, den er ziemlich weit oben um den Bauch geschnallt hatte, allerdings keine Waffe. Seine ganze Bewaffnung bestand aus einem Gummiknüppel und einer Dose Pfefferspray.
    »Na, was gibt’s Neues, Sarge?«, sagte ich, während ich die Sicherheitsschleuse passierte.
    »Nur dass die Miete bald wieder fällig ist«, grummelte er. »Ich habe gehört, dass Ihr Johnny Wayne heute das Handtuch wirft.« Die Polizei von Jonesborough war geschwätziger als ein Damenkränzchen. Sarge wusste immer genau, was gerade passierte, manchmal sogar, bevor es passierte.
    »Sie wissen aber auch wirklich alles«, sagte ich.
    »Der Kerl hat nichts Besseres verdient als die Nadel.«
    »Mensch, Sarge, der Mann ist doch unschuldig, ein typisches Opfer des Systems.«
    »Unschuldig, dass ich nicht lache. Keiner, den Sie vertreten, ist unschuldig.«
    Als ich zum Aufzug gehen wollte, hielt Sarge mich am Arm fest. Seine knochigen Finger gruben sich tief in meinen Bizeps.
    »Wissen Sie, was ich gerne sehen würde?«, sagte er. »Ich würde gerne mit eigenen Augen sehen, wie sie den Dreckskerl direkt hier vor dem Gericht auf einem Tieflader aufknüpfen, ja, das wäre ein Hochgenuss. Dafür würde ich mir sogar eine Eintrittskarte kaufen.«
    Sarge brachte lediglich zum Ausdruck, was die meisten Leute empfanden. Laura Neal, Johnny Waynes wunderbare Frau, hatte nur den einen gravierenden Fehler begangen: dass sie sich den falschen Mann ausgesucht hatte. Sie war Grundschullehrerin und überall äußerst beliebt gewesen. Ihre Eltern waren grundsolide, hart arbeitende Leute, und ihr Bruder hatte es sogar zum Professor an einem College gebracht. Die Leute wollten Johnny Wayne auf dem Scheiterhaufen brennen sehen, und ich hatte das Gefühl, dass die meisten von ihnen nichts dagegen gehabt hätten, wenn man seinen Anwalt gleich mitgebraten hätte.
    Als ich Sarge endlich abgeschüttelt hatte, ging ich über die Seitentreppe in den zweiten Stock hinauf. Auf dem Korridor vor dem Gerichtssaal hatten sich ungefähr zehn Leute eingefunden, die miteinander tuschelten. Auf dem engen Korridor war es halb dunkel. Farben schien es dort keine zu geben, alles war in Schwarz-Weiß – wie in dem Film Die zwölf Geschworenen.
    Ich ging in den Raum, in dem Richter Ivan Glass seine Verhandlungen führte, und blickte mich um. Kein Richter. Kein Wachtmeister. Kein Gerichtsdiener.
    »Seine Heiligkeit noch nicht da?«, fragte ich Lisa Mayes, die Staatsanwältin, die mit dem Fall John Wayne befasst

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