Engelsstern
etwas beibrachte, verwirrte mich. Inbrünstig wünschte ich mir das Zeichen zurück, und sobald ich die Hand aufmachte, war es wieder da. Ich war so erleichtert, ich hätte heulen können.
Mein Herz hämmerte. »Das versteh ich nicht.«
»Du hast die Macht, Dinge geschehen zu lassen.« Er nahm mein Kinn und drehte meinen Kopf zum Kerzenlicht. »Ich war auf einem Weg, den ich nicht länger gehen möchte, aber der Weg lässt sich nicht ungeschehen machen, und ich werde ewig für meine Taten büßen. Du hast das Oktagramm in zwei Hälften zerschnitten und mich damit geteilt. Schon sehr lange hatte ich nicht mehr sehen können, wer ich bin, weil immer etwas im Weg war, und auch ich habe gefürchtet, was ich nicht sehen konnte. Das hast du aufgebrochen. Verstehst du nicht, Teagan? Das ist deine Macht. Du bist der Schlüssel zur Wahrheit. Die Wahrheit, die in jedem von uns liegt.«
Sein Gesichtsausdruck wirkte so ernsthaft und ehrlich. Wollte er sich wirklich ändern? Fühlte ich mich deshalb zu ihm hingezogen, weil ich das Gute sehen konnte, das in ihm verblieben war? Konnte ich ihn heilen?
»Ja, das kannst du. Du kannst mir helfen.«
»W oher weißt du, was ich denke?«, fragte ich, ohne wirklich überrascht zu sein.
»W ie gesagt, ich kenne dich sehr gut, Teagan.« Er beugte sich zu mir, legte seine Hand in meine, die Hand fühlte sich jetzt warm an. »Ich fürchte, ich habe hier in deiner Welt sehr viel Unheil angerichtet. Wenn mir derHimmel eine zweite Chance gibt …« Hadrian wandte den Blick ab und sprach nicht weiter.
Als er mir wieder das Gesicht zudrehte, fing sich das Licht in seinen Augen. Zum ersten Mal nahm ich eine Spur von Grün in der Ebenholzfarbe wahr.
Die Dunkelheit löste sich auf, sodass das Licht, das einst seins gewesen war, durchschimmern und das, was ihn so lange gefangen gehalten hatte, vertreiben konnte. Seine Schönheit und Helligkeit wurden sichtbar, und bald würde er wieder ganz sein. Er würde sein, was ihm vor langer Zeit bestimmt worden war. Ein Engel. Ich konnte ihm helfen. Das wusste ich. Darin lag meine Macht. Heilen. Die Wahrheit ans Licht bringen.
Seine Lippen waren eine Handbreit von meinen entfernt. Ich atmete ihn ein. Ich wollte, dass er blieb … Ich wollte …
Unter mir vernahm ich ein schabendes Geräusch. Aus dem Augenwinkel sah ich farbige Lichtstrahlen über den Boden huschen. Die farbigen Dreiecke aus Glas trafen aufeinander und formten ein Zeichen.
Als hätte der Boden ein Eigenleben entwickelt, bildeten die Steine um uns herum einen Kreis, und die scharfen roten Lichtpunkte wurden die Zacken eines Achtersterns. Plötzlich kippten die Kerzen um, das flüssige Wachs verschwamm mit den Linien. Die winzigen Flammen schlugen von Sekunde zu Sekunde höher. Wir waren im Kreis gefangen, im Herzen des Oktagramms, umringt von einer beeindruckenden Macht.
»Teagan!« Jemand rief meinen Namen.
Ich wurde aus meinem Traum herausgesogen und wehrte mich dagegen. Hier war es so schön warm. Ich wollte bleiben. Aber ich wurde gepackt und nach oben gezogen. Erst als ich auf dem kalten Steinfußboden aufkam, erkannte ich, was passiert war.
Im Zentrum des Oktagramms standen sich Garreth und Hadrian gegenüber. Die Flammen züngelten an ihnen hoch, drohten den einen wie den anderen zu verbrennen. Zwei Engel. Der eine Licht, der andere Dunkelheit. Beide wunderschön. Beide mächtig. Einer Liebe, der andere Zerstörung. Und hier stand ich, außerhalb, und wollte sie beide.
Wäre Garreth nicht aufgetaucht, ich wäre überzeugt gewesen, Hadrian ändern zu können. Aber hatte ich wirklich die Macht, ihn zu dem zu machen, als den Gott ihn gewollt hatte – und ihn für mich zu behalten? In dem Moment begriff ich, dass alles seinen Preis hat. Wie weit wäre ich gegangen, bis ich das verstanden hätte? Ich würde alles tun, um Garreths unsichtbare und bedingungslose Liebe bei mir zu behalten, und dann ließ ich zu, dass Hadrian seinen Platz in der Menschenwelt einnahm.
Garreth stand aufrecht da, während sich die Flammen bedrohlich in den Kreis hineinfraßen. Er erwiderte Hadrians grimmigen Blick, bereit zu allem und auf ewig mein Beschützer. »Sie scheint etwas in dir zu sehen, von dem ich nicht glaube, dass es existiert.«
»Lass dich von ihrer Unschuld nicht täuschen. Sie hat eine dunkle Seite.«
»Glaubst du nicht, dass ich sie gut genug kenne, um das zu wissen?«, gab Garreth zurück.
Hadrians Gelächter lief mir kalt über den Rücken. Ich konnte es nicht leugnen,
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