Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Aber egal: Sie schnitt sich jeden einzelnen Artikel, jedes Foto aus und klebte sie liebevoll in ihre Alben.
»Peer-Tochter, die Juden hasst.« »Unity fotografiert mit 50-£-Kamera von Hitler.« »Englisches Mädchen bei heidnischem Fest.« »Hon Unity Mitford im Hyde Park gejagt.« »Peer immer noch gegen Jessicas Romanze.« »Jessica sagt ›Nein‹ zu Bitten der Schwester.«
Und die New York Times schrieb am 28. November 1938: »Mosley heiratet eine Mitford in Hitlers Anwesenheit, heißt es in London.« Die Meldung war ein alter Hut, als sie gedruckt wurde, denn Diana und Mosley hatten schon zwei Jahre zuvor geheiratet, am 6. Oktober 1936, und sie hatten die Angelegenheit genauso geheimgehalten wie Jessicas Flucht. Die Hochzeit fand in Goebbels’ Haus in Berlin statt, in der Hermann-Göring-Straße, und der anschließende Empfang in seinem anderen Haus in Schwanenwerder. »Hitlers Geschenk war eine Fotografie im Silberrahmen, mit A. H. und dem deutschen Adler«, berichtete Diana in ihren Memoiren, während Goebbels dem Paar eine zwanzigbändige Goethe-Ausgabe zum Geschenk machte. Bis zum heutigen Tage ist Lady Mosley ihren Erinnerungen an die Naziführer treu geblieben.
Die Berichterstattung jener Zeit muss den Briten deutlich gemacht haben, in welchem Ausmaß Mosley sich zu einem vollkommenen Nazi entwickelt hatte – die Anwesenheit Hitlers als Trauzeuge konnte das Lehrer-Schüler-Verhältnis nur noch besiegeln. Mosley ahmte Hitlers demagogische Reden nach. Er ahmte die Parteiorganisation und die Taktik der Nazis nach. Er unterstützte jeden Aspekt der Hitler’schen Politik. Sein nicht nachlassender Angriff auf die Juden beschränkte sich nicht mehr nur auf Worte – in der Woche seiner Hochzeit führte er die BUF im Londoner East End zur »Schlacht in der Cable Street«, wie sie genannt wurde, eine gewalttätige Auseinandersetzung mit Juden, wie sie das Land nie zuvor erlebt hatte. Bis zu seinem Todestag hat Mosley kein Bedauern darüber geäußert; er hielt an der Hitler’schen Lüge fest, dass die Juden auf den Krieg hingearbeitet hätten. Wie Naziführer anderswo, zum Beispiel Corneliu Codreanu in Rumänien, Vidkun Quisling in Norwegen und Jacques Doriot in Frankreich, setzte er seine Zukunft auf Hitlers Sieg. Ein erfolgreicher Hitler hätte wohl Mosley in der hakenkreuzgeschmückten Downing Street als Reichskommissar eingesetzt. »Ein ganzer Kerl«, hat er laut Lady Mosley ihren Mann im Gespräch mit ihr genannt, während einer von Hitlers Adjutanten sich erinnert, der habe kurz und bündig erklärt, Mosley sei »kein Volkstribun«.
Nach ihrer Heirat lebten die Mosleys in England. Auch Unity sah Hitler jetzt seltener; sie musste ihm in der Osteria auflauern oder einfach hoffen, an einer Straßenecke von ihm bemerkt zu werden. Der Sturz Hanfstaengls warf seinen Schatten auch auf sie. Hanfstaengl war einer der Ersten gewesen, die Hitler unterstützt hatten. Nach dem fehlgeschlagenen Putsch von 1923 hatte Hitler im Hause Hanfstaengls und seiner Schwester Erna Zuflucht gefunden, und dieser Tatsache verdankte Hanfstaengl seine spätere Stellung in Hitlers Kreis. Als Kosmopolit – er war halber Amerikaner –, der musikalisch begabt war, unterschied er sich von den anderen Leuten dort, die er gerne als »Chauffeureska« bezeichnete. Unity gegenüber war er freundlich, wenn auch besitzergreifend. »Putzi wird handgreiflich«, beschwerte sie sich, was heißen sollte, dass er ihr das Knie tätschelte.
Im Februar 1937 wurde Hanfstaengl ohne Vorwarnung verhaftet und in ein Flugzeug gebracht, dessen Mannschaft den Auftrag hatte, ihn über Spanien hinauszuwerfen; dort sollte dann bekanntgegeben werden, dass er in geheimer Mission umgekommen sei. Er aber überredete den Piloten, ihn nach Zürich zu fliegen, von wo er sich nach England absetzte. Ein wütender Hitler leugnete die Existenz irgendeines Mordplans. Bis zum Ende behauptete Hanfstaengl jedoch, dass Unity ihn wegen seiner Witzeleien denunziert habe. Noch im Juni 1939 und in einem letzten Versuch, die Sache ins Reine zu bringen, bat Erna Unity, Hitler persönlich einen Brief zu überbringen, in dem sie um Gnade für Hanfstaengl bat. Unity tat das auch, und diese Begegnung mit Hitler sollte sich als eine ihrer letzten erweisen. Er las den Brief und verbot Unity jeden weiteren Kontakt mit Erna.
Trotz aller anderen Dinge, die Hitler im Sommer vor dem Krieg im Kopf hatte, fand er Zeit, Unity eine Wohnung in München zu offerieren. In Begleitung einer
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