Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
der Herzog von Devonshire wurde – wenigstens einige Wünsche fanden so ihre Erfüllung. Was die Eltern angeht: Muv blieb Anhängerin Hitlers durch dick und dünn und sprach von Churchill immer nur als dem »niederträchtigen Mann«. Farve konnte es nicht mehr aushalten. Nach vierzigjähriger Ehe trennten sich die Redesdales und starben unversöhnt.
Damit hätte die Familiensaga ein Ende finden können, ein eher pathetisches und tragisches als erfolgreiches Ende, wenn nicht Nancy die Geschichte noch romantisiert hätte. Sie brauchte den Glauben an die fiktiven Bilder des Glanzes. Sie hatte sich von Prod scheiden lassen. Verliebt in Gaston Palewski, einen engen Mitarbeiter Charles de Gaulles, zog sie am Ende des Krieges nach Paris, heiratete aber nicht; sie lebte allein, nicht allzu glücklich, und machte aus sich selbst – in bester Mitford-Manier – nicht ohne Mühe eine Gaullistin. Ihre Einbildungskraft wurde nicht durch wirkliche Ereignisse angeregt, sondern durch deren bloße Anklänge. Die Schwestern lieferten ihr das Rohmaterial für ihre beiden Nachkriegsbestseller, die Romane The Pursuit of Love und Love in a Cold Climate.
In diesen Romanen lud Nancy die Leser in ein witziges, strahlendes Märchenland ein, das von Geschöpfen bevölkert wird, die zwar ausgebrochen sein mögen, aber nur, um so die Erfüllung ihrer Sehnsucht zu finden. Sie schuf diese Illusion, indem sie einfach die Mosleys mit ihrer Politik, das Desaster Unitys und den Schiffbruch ihrer Eltern aussparte. Der ironische Ton und das rosige Licht trivialisierten das Geschehen sicherlich, dienten aber der Legende.
Alle Menschen träumen von Versöhnung und Happy-End, und damit war Nancys Popularität als Schriftstellerin gesichert. Ihr ist es zu verdanken, dass die Mitfords zu einer Art Symbol allgemeiner Wunscherfüllung wurden; wie Sterne, die aus eigener Kraft, nach eigenem Gesetz kreisen, konnten sie tun, was sie wollten, und kamen doch ungeschoren davon. Allgemeine Wahrheiten konnten für sie anscheinend außer Kraft gesetzt werden. Andere Berichte über die Familie, einschließlich der von Diana und Jessica, dienten nur zur Bekräftigung der Legende, doch die zusammengetragenen Fakten und Informationen entlarven sie am Ende. Denn dies waren keine Berühmtheiten in einem Niemandsland, sondern Menschen in einem sehr speziellen sozialen Umfeld.
Es war viel leichter gewesen, die Werte des Redesdales über Bord zu werfen, als etwas an deren Stelle zu setzen. Die Alternativen lebten unter einem Dach: Kommunist, Nazi, Künstler, Privatmann, privilegierter Aristokrat – ein Mikrokosmos, wenn man so will, der Nation und der möglichen Entscheidungen in einer Zeit der beispiellosen Zweifel und der moralischen Krise. Der Konflikt zwischen verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten besteht heute so wie damals, und deshalb haben die Mitfords im Nachhinein immer noch etwas Exemplarisches an sich. Nach den Sechzigern und den Siebzigern ist es zumindest deutlicher geworden, dass Versöhnung und Happy-End der Literatur angehören und nicht dem wirklichen Leben. Und daran lässt sich etwas ganz Einfaches ablesen: dass nämlich Handlungen Konsequenzen nach sich ziehen. Es war einmal eine Zeit, da war diese Binsenwahrheit jedem reichen, jedem armen Kind bekannt; doch heute muss jeder Mensch erst durch eine Warngeschichte wie diese darüber belehrt werden.
Aus dem Englischen von Bernd Samland
Gekürzte Fassung von David Pryce-Jones, Unity Mitford:
A Quest, London 1981
Do You Know U?
Von Reinhard Kaiser
Die Empörung, mit der Onkel Matthew im 5. Kapitel dieses Romans über die arme Fanny herzieht, weil sie von »Schreibpapier«, »Spiegeln«, »Kaminsimsen«, »Handtaschen« und »Parfüm« spricht und »lunch« sagt statt »luncheon«, mag dem Leser der deutschen Übersetzung wenig motiviert erscheinen. Sie speist sich aus des Onkels ausgeprägtem Sinn für gewisse feine Unterschiede zwischen zwei englischen Sprachen, dem Idiom der englischen Upper Class und dem Sprachgebrauch der übrigen britischen Nation. Man hat diese Differenz auf die Formel U/non-U gebracht (wobei U für Upper Class steht), und die linguistischen Fachleute haben diesem Problem ihre Aufmerksamkeit nicht versagt. In einem Brief vom 1. Mai 1954 an Heywood Hill berichtet Nancy Mitford:
»Mein sonderbarer Freund, Prof. [Alan S. C] Ross, hat einen wirklich süßen Aufsatz für die Société Neo-philologique de Helsinki geschrieben, in Finnland gedruckt, aber in Englisch geschrieben,
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