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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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der traurigen Ereignisse ein äußerst bescheidenes Menü zusammengestellt worden war. Kein Stör, kein gefüllter Fasan, nicht einmal Beluga-Kaviar. Eine wirklich spartanische Tafel. Das würden die zum Abendessen geladenen hochmögenden Personen verstehen und zu würdigen wissen. Aber wozu das in der Zeitung abdrucken, wenn für viele Leser schon die Wurst »Hundefreude« eine Delikatesse war?
    In all dem sah ich nach reiflicher Überlegung nicht Sorge um das Prestige des Herrscherhauses, sondern das genaue Gegenteil. Offenbar hatten der Generalgouverneur und der Polizeipräsident der Presse eine freie Berichterstattung über das Vorgefallene untersagt, und nun hatten die Redakteure einen Trick gefunden, auf ihre Weise die Empörung der Massen anzuheizen.
    Verdrossen legte ich die Zeitungen beiseite und blickte aus dem Fenster – diese auf den ersten Blick nutzlose Beschäftigung beruhigt wunderbar die aufgepeitschten Nerven, besonders an klaren Maiabenden: Die Schatten sind weich und golden, die Bäume haben sich noch nicht an ihr wiedergewonnenes Laub gewöhnt, und der Himmel ist mild und friedlich.
    Eine ganze Weile verbrachte ich in stiller, gedankenloser Betrachtung. Als die Silhouetten der Häuser sich aufgelöst hatten, weggewischt von der Dämmerung, und die Laternen angezündet wurden, schrillte das Telephon.
    »Hören Sie aufmerksam zu und u-unterbrechen Sie mich nicht«, hörte ich Fandorins Stimme. »Wissen Sie, wo die Sperlingsberge sind?«
    »Ja, ganz in der Nähe von …«
    »Dort gibt es einen d-dekorativen Park. Wir haben ihn vomBoot aus gesehen, wissen Sie noch? Erinnern Sie sich an die Hängebrücke über der Schlucht? Ich habe noch gesagt, daß ich fast genauso eine im Himalaja gesehen habe.«
    »Ja, ich erinnere mich, aber wozu erzählen Sie …«
    »Seien Sie morgen früh dort. Um sechs. Bringen Sie den Stein und die Schatulle mit.«
    »Weshalb? Was ist pas …«
    »Ja, und noch etwas«, unterbrach er mich unhöflich. »Wundern Sie sich nicht, ich werde als Mönch kommen. Wahrscheinlich verspäte ich mich, aber Sie müssen rechtzeitig da sein, Sjukin. Haben Sie alles verstanden?«
    »Ja, das heißt nein, ich habe überhaupt nichts …«
    Das Freizeichen ertönte, und ich hängte in höchster Empörung den Hörer ein. Wie kann er es wagen, so mit mir umzuspringen? Er hat nichts erklärt, nichts erzählt! Wie ist sein Treffen mit Somow verlaufen? Wo ist er jetzt? Warum kommt er nicht hierher zurück? Und vor allem, weshalb soll ich die Kronjuwelen an einen so sonderbaren Ort bringen?
    Plötzlich fiel mir ein, wie seltsam er mich beim Abschied angesehen hatte. Was hatte er mir noch sagen wollen?
    Er hatte gesagt: »Jetzt trennen sich unsere Wege.« War das vielleicht nicht nur im direkten, sondern auch im übertragenen Sinn gemeint? Mein Gott, und es gab niemanden, mit dem ich mich beraten konnte.
    Ich saß da, starrte auf den stummen Telephonapparat und überlegte angespannt.
    Karnowitsch? Ausgeschlossen.
    Lassowski? Der war bestimmt schon seines Postens enthoben, aber selbst wenn er noch im Amt wäre …
    Endlung? Er war zwar ein wackerer Bursche, aber in einer so verzwickten Sache konnte er mir nicht nützen.
    Emilie! Ja, sie konnte mir helfen.
    Ich muß in der Eremitage anrufen, überlegte ich, und mit verstellter Stimme, möglichst einer weiblichen, Mademoiselle Déclic verlangen.
    Da erwachte plötzlich der Apparat und klingelte wie verrückt.
    Na Gott sei Dank! Also ist Fandorin doch nicht so ein Flegel, wie ich dachte. Wir sind einfach getrennt worden.
    Ich sprach absichtlich als erster, damit er gar nicht erst dazu kam, mich mit einem neuen Hokuspokus mundtot zu machen.
    »Bevor ich Ihren Auftrag ausführe, verlange ich eine Erklärung«, ratterte ich los. »Was ist mit Somow? Und dann, wozu die Verkleidung als Mönch? Konnten Sie sich keine andere Maskerade ausdenken? Das ist Lästerung!«
    »Mon dieu, was reden Sie da, Athanas?« vernahm ich Mademoiselles Stimme, und mir blieb die Luft weg, aber nur für einen Moment.
    Es war einfach grandios, daß sie mich von sich aus angerufen hatte.
    »Wem galten Ihre Worte?« fragte Emilie, ins Französische wechselnd.
    »Fandorin«, murmelte ich.
    »Was für ein Mönch? Und was hat Somow damit zu tun? Ich rufe gerade aus seinem, das heißt, aus Ihrem ehemaligen Zimmer an. Somow ist verschwunden, niemand weiß, wo er steckt. Aber das ist unwichtig. Carr wurde getötet.«
    »Ja, ja, ich weiß.«
    »Das wissen Sie? Woher?« Ihre Stimme klang

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