Entfuehrung nach Gretna Green
Venetia mit ihm die Stadt verlässt.“
Venetia war freiwillig mit dem Mann gegangen? Unter seinen Wimpern hervor betrachtete Dougal seinen Bruder. Seit ihrer Kindheit waren Venetia und Gregor Freunde gewesen, so lange, dass sogar der Londoner Klatsch sich nicht mehr über ihre gemeinsamen Morgenritte und ihren ungezwungenen, kameradschaftlichen Umgang ausließ. Ging es bei ihrer Verbindung mit Ravenscroft um mehr? „Glaubst du, Venetia und Ravenscroft...?“, fasste Dougal seine Gedanken in Worte.
„Nein", unterbrach ihn sein Bruder in energischem Ton.
Als ein heftiger Windstoß die Straße entlangfegte und die Kutsche zum Schwanken brachte, zog Dougal die Augenbrauen hoch.
„Er hat einen Trick angewandt“, brummte Gregor.
Dougal beobachtete, wie der Wind an einer Seite der Kutsche durch jede kleine Ritze Schnee in den Innenraum trieb und bemerkte in ironischem Ton: „Natürlich wurde sie hereingelegt. Venetia würde niemals etwas so Spontanes tun wie durchzubrennen, nicht einmal, wenn sie bis über beide Ohren verliebt wäre.“
Der Wind ließ die Kutsche erbeben, als hätte eine große Faust ihr einen Stoß versetzt.
Dougal zuckte zusammen. „Ich bitte dich, Gregor! Wir werden noch von der Straße geweht.“
In dem Versuch, sich zu entspannen, umfasste Gregor seine Knie und atmete tief durch. „Wenn du willst, dass wir auf der Straße bleiben, hör einfach auf, so dumme Bemerkungen zu machen. Venetia ist nicht durchgebrannt! Ravenscroft hat ihr erzählt, ihre Mutter wäre in Stirling plötzlich erkrankt. Ravenscrofts Diener hat mir von dem Plan des Schurken erzählt: dass sie in Wahrheit nach Gretna Green fahren werden und er ihr die Wahrheit über Zweck und Ziel ihrer Reise erst gestehen wird, wenn sie so weit von London entfernt sind, dass sie nicht mehr zurück kann. Der Diener hat mir auch gesagt, dass Ravenscroft wegen seiner unbezahlten Spielschulden für heute Morgen mit Lord Ulster zum Duell verabredet war, aber nicht erschienen ist.“
„Der Feigling!“, rief Dougal kopfschüttelnd aus. „Du musst seinem Diener eine Menge Geld angeboten haben, um all diese Informationen aus ihm herauszubekommen.“
„Der Kerl mochte es nicht besonders, an den Fußgelenken aus einem offenen Fenster herausgehalten zu werden.“
Dougal grinste.
„Ravenscroft plant, an der Abzweigung hinter Pickmere in Richtung North Road abzubiegen, und hofft, Venetia bemerkt es nicht.“
„Wie könnte sie das nicht bemerken? Auf einer Straße, auf der sie schon unzählige Male unterwegs war?“
„Ravenscroft kann man nicht gerade als besonders intelligent bezeichnen. Umso weniger wird er vermisst werden, nachdem ich ihn umgebracht habe.“
„Wenn du etwas Unüberlegtes tust, Gregor, gibt es unweigerlich einen Skandal, und am Ende wird Venetia die Leidtragen-de sein. Es wäre besser, ihr hinterherzufahren und sie unversehrt zurückzubringen. Um Ravenscroft kann man sich dann später kümmern.“
„Das habe ich vor. Aber nur, wenn noch nichts geschehen ist, was nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. “
Dougals Miene verfinsterte sich. „Du glaubst, der kinnlose Schwachkopf könnte die Situation ausnutzen?“
Bei den Worten seines Bruders ballte Gregor die Hände zu Fäusten, während das Blut ihm so heftig durch die Adern donnerte, dass es in seinen Ohren rauschte. „Wenn Ravenscroft am Leben bleiben will, sollte er sie nicht einmal mit der Spitze seines kleinen Fingers berühren.“
„Ich kann nicht glauben, dass er sich einbildet, er könnte mit dieser Sache durchkommen.“
„Es ist noch schlimmer. Ravenscrofts Diener glaubt, der Idiot plant, aus England zu fliehen, um sich vor dem Duell zu drücken und seine Schulden nicht bezahlen zu müssen.“
„Und Venetia will er mitnehmen. Zur Hölle mit ihm!“ Mit einem Ruck kam die Kutsche zum Stehen, und gleich darauf erschien der Kutscher und öffnete die Tür. Gregor und Dougal stiegen aus und gingen auf den Eingang von Dougals Londoner Haus zu. Sobald sie außer Hörweite des Dieners waren, blieben sie auf dem Fußweg stehen, ohne sich um den dicht fallenden Schnee zu kümmern. „Wie kann ich helfen?“, erkundigte sich Dougal bei seinem Bruder.
„Fahr nach Oglivie House und bleib bei Venetias Vater, bis ich sie nach Hause bringe. Er ist völlig verzweifelt und weiß nicht, was er tut. Wenn er auch nur einer Menschenseele erzählt, dass sie fort ist und wie es dazu kam, wird ihr Ruf für alle Zeiten ruiniert sein.“
„Ich werde ihn
Weitere Kostenlose Bücher