Entfuehrung nach Gretna Green
nicht quer durch die Kutsche in Venetias Schoß zu fallen.
„Wir fahren zu schnell“, erklärte sie ihm mit einem strengen Blick. „Wenn Sie nicht endlich etwas dagegen unternehmen, werde ich es tun.“
„Aber wir sollten versuchen, so weit wie möglich zu kommen, bevor der Schnee zu tief wird. Es würde Ihnen nicht gefallen, in einem Gasthof übernachten zu müssen. Was ist, wenn sich der Zustand Ihrer Mutter über Nacht verschlechtert und sie stirbt? Ich könnte wetten, dann werden Sie wünschen, wir wären so schnell wie möglich gefahren und hätten keine Rast gemacht.“
„Es ist das dritte Mal, dass Sie andeuten, meine Mutter könnte todkrank sein.“
Verdammt, warum hatte er ihr nicht von vornherein gesagt, dass ihre Mutter im Sterben lag, anstatt nur zu behaupten, sie sei krank? Dann wäre Venetia jetzt viel gefügiger - andererseits aber wahrscheinlich nicht in der Stimmung, einen Heiratsantrag anzunehmen. „Ihre Mutter ist eine sehr zarte Person, natürlich mache ich mir Sorgen um sie.“
„Zart? Meine Mutter?“ Sie starrte ihn verblüfft an. Ravenscroft war sich nicht sicher, aber für ihn hatte es sich angehört, als hätte seine Liebste ihre Bemerkung mit einem verächtlichen Schnauben beendet.
„Mutter ist so zäh wie Rindsleder. Außerdem geht es im Moment gar nicht darum. Klopfen Sie und befehlen Sie dem Kutscher, langsamer zu fahren.“
Ravenscroft betrachtete sie verdrießlich.
Sie tastete nach ihrer Brosche.
„Na gut“, stieß er hastig hervor. „Ich muss aber betonen, dass Sie meiner Meinung nach ein wenig zu heftig reagieren.“
Er klopfte von innen an das Kutschendach, um den Kutscher darauf aufmerksam zu machen, dass er einen Wunsch hatte. Dann lehnte er sich aus dem Fenster und redete mit dem Mann auf dem Bock, wobei der Wind seine Worte fortwehte.
Venetia schauderte, als die kalte Luft in den Wagen drang. Sie konnte sich nur an einen einzigen April in ihrem ganzen Leben erinnern, in dem geschneit hatte, und der Grund dafür war Gregor gewesen.
Erneut runzelte Venetia die Stirn und fragte sich, ob Gregor auch dieses Mal das Unwetter ausgelöst hatte. Es war möglich, allerdings nur, wenn er die Beherrschung verloren hatte - ein recht seltenes Ereignis. Gregor war derjenige von den MacLeans, der seine Stimmungen am besten kontrollieren konnte.
Sicher war es ein Zufall, dass es ausgerechnet heute stürmte und schneite. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Ravenscroft zu, der eine Auseinandersetzung mit dem Kutscher zu haben schien. Schließlich zog sich der junge Lord wieder ins Innere der Kutsche zurück und schloss die Haken und Ösen der Ledervorhänge. Sein Gesicht war vom eisigen Wind gerötet.
„Ich habe getan, was Sie verlangt haben.“
Von draußen war ein lautes „Hü!“ zu hören, dann raste die Kutsche noch schneller als zuvor dahin und schwankte dabei wild hin und her.
„Sie haben dem Kutscher beileibe nicht befohlen, langsamer zu fahren! Sie haben ihm gesagt, er soll die Pferde noch mehr antreiben“, beschuldigte Venetia ihren Reisebegleiter.
Ravenscroft war so sehr damit beschäftigt, sich auf seinem Sitz zu halten, dass er ihr nicht antworten konnte.
Nachdem sie einen lauten, verärgerten Ton ausgestoßen hatte, richtete Venetia sich auf und klopfte energisch an das Dach der Kutsche.
Von draußen war als Antwort ebenfalls ein Klopfen zu hören, und gleich darauf bremste der Kutscher den Wagen ab, wobei die hinteren Räder mehrmals vor- und zurückrutschten, bevor sie Halt fanden und ruhig dahinrollten.
„Venetia! Was tun Sie?“, rief Ravenscroft.
„Ich sorge dafür, dass wir Großmutters Haus lebendig erreichen.“
„Aber wir müssen schneller fahren. Wir können nicht in dieser Geschwindigkeit dahinschleichen!“ Er schlug mit der Faust gegen das Kutschendach.
Als Antwort kam ein fragendes Klopfen, ohne dass sich das Tempo wesentlich erhöhte. Venetia atmete auf. „Sehen Sie? Der Kutscher hält es für keine gute Idee, schneller zu fahren. Wir sollten dieses Tempo beibehalten und ... “
Ravenscroft donnerte noch einmal gegen das Dach, wesentlich lauter und heftiger als beim letzten Mal. Sofort wurde die Kutsche schneller, wodurch sie beide auf ihren Sitz zurückgeworfen wurden. Sie nahmen eine Kurve, und der hintere Teil des Wagens schlingerte wild hin und her, bevor er wieder geradeaus fuhr.
Venetia stemmte ihren Fuß gegen den gegenüberliegenden Sitz, während sie versuchte, sich aufrecht zu halten. „Sie sind verrückt! Was um
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