Der Ölhändler und die Blumenkönigin
Der Ölhändler und die Blumenkönigin
Die Erzählung »Wie ein einfacher Ölhändler der Blumen Königin für sich allein gewann« ist der chinesischen Novellensammlung »Djin-Gu Tji-Guán« entnommen und aus dem chinesischen Urtext übertragen von Walter Strzoda . Die erste deutsche Ausgabe wurde im Herbst 1920 für den Hyperionverlag in München durch die Spamersche Buchdruckerei in Leipzig gedruckt.
Die Titelumrahmung zeichnete Emil Preetorius.
Meine Erzählung führt mich in die Zeit der großen Ssungdynastie. 1 Seit ihrer Gründung durch Tai-Dsu, welchem Tai-Dsung auf dem Throne folgte, herrschte unter den Kaisern Li, Dschuán, Tschenn, Ženn, Ying, Schenn und Dscho sieben Generationen lang Ruhe und Frieden. Danieder lag der Krieg und die Wissenschaften erhoben ihr Haupt; das Volk lebte zufrieden und glücklich und das Reich entfaltete sich zu hoher Blüte. Als aber Kaiser Hué-Dsung zur Regierung kam, welcher seinen flatterhaften Beratern Tsai-Tjing, Gao-Tjin, Yang-Djién und Dschu-Mién zu sehr vertraute, da erhoben sich allerorten prächtige Parkanlagen und kaiserliche Lustschlösser, da schwelgte man in außerordentlichen Genüssen und vernachlässigte die Regierungsgeschäfte. Das ungezählte Volk aber seufzte unter der Last und murrte, während die unterworfenen Djin 2 -Barbaren die Gelegenheit benutzten,sich zu empören und eine ganze schöne Welt von Blumen und Seide zu zerstören. Bald kam es so weit, daß die beiden Kaiser sich den Beschwerden der Flucht auf staubigen Pfaden aussetzen mußten. Erst durch Kaiser Gao-Dsung, 3 der über den Fluß (»Yangtse«) setzte, wurde die eine Hälfte des Reiches wieder beruhigt und das Reich in Süden und Norden geteilt. Damals also war der Wohlstand des Volkes tief gesunken, und wieviel Trübsal und bitteres Leid hat es nicht in diesen vielen Jahrzehnten erdulden müssen! Wirklich, es war, wie's im Liede heißt:
»Im Gedränge der Panzer und Pferde durchjag' ich mein Leben,
Schwerter und Lanzen zu Hauf sind mein klirrendes Dach,
Morden muß ich und töten, fast ist's ein Spiel nur mit Freunden,
Und ich raube, als wär's lang schon mein einziges Fach.«
Ich erwähne unter vielen Bedrängten nur einen Mann, der im Dorfe An-Lo draußen vor der Stadt P'i-Leáng wohnte, mit Namen Hsing-Schan.Er und seine Frau, eine geborene Yüán, besaßen einen Getreideladen, in welchem sie neben dem hauptsächlichen Handel mit Zerealien und besonders Reis auch etwas Holzkohlen, Tee, Reiswein, Öl, Salz und Gemischtwaren absetzten. Es waren Leutchen in gesicherten Verhältnissen, die es zu einer gewissen Wohlhabenheit gebracht hatten. Schan-Wenn war schon über vierzig Jahre alt und hatte nur eine Tochter, welche mit dem Kindernamen Yao-Tjin hieß. Von klein auf lieblich und fein gewachsen, zeichnete sie sich schon früh durch Begabung und große Klugheit aus. Im Alter von sieben Jahren in die Dorfschule geschickt, begriff sie so schnell, daß sie wohl tausend Worte täglich herlesen konnte. Als sie zehn Jahre alt war, sang sie mit reizender Stimme Lieder, ja, machte sogar schon selbst Gedichte. Da ist besonders eines zu erwähnen, welches sich schnell unter den Leuten weitersprach: »Mädchengedanken« heißt es:
»Der Perlenvorhang rieselt leise, leise von den goldnen Haken;
Weihrauchwolken, auf und nieder, wall'n entlang die kühlen Wände,
Und ich ruh' auf weichen Kissen, worein Mandarinenenten
Kunstvoll stickten einst verliebte, zarte weiße Mädchenhände.«
»Kaum, daß ich zu rühren wage leise an die seidnen Pfühle,
Fürchtend, die verliebten Vögel aufzuscheuchen aus den Träumen,
Kaum, daß ich vom Docht der Lampe jene beide enggedrückten
Glühendroten Knospenköpfchen streifen könnte ohne Säumen!«
Als sie aber zwölf Jahre alt geworden war, konnte sie Zither und Schach spielen, und schreiben und malen, kurz: es gab nichts, was sie nicht verstanden hätte; gar nicht zu reden von rein weiblichen Fertigkeiten, in denen sie Meisterin war; denn ihre Nadel flog und der Faden sprang mit einer Schnelligkeit, die man sich gar nicht vorstellen konnte! Jedenfalls eine himmlische Begabung und ein Können, das durch keinen Lehrer, kein noch so fleißiges Üben erreicht wird. Da Hsing-Schan selbst keinen Sohn hatte, trug er sich mit dem Gedanken, einen jungen Mann zu adoptieren, der später sein Schwiegersohn werden und ihm im Alter eine Stütze sein könnte. Weil aber das Mädchen so klug und geschickt war und soviel konnte, fiel es ihm recht schwer, den passenden Mann
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